Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Buch der Gleichnisse

Das Buch der Gleichnisse

Titel: Das Buch der Gleichnisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Per Olov Enquist
Vom Netzwerk:
bekommen, die hier Malin genannt wird, in dem sie die »Eskapaden« der Mutter aufzählte und ihn eindringlich darum bat, den Provinzialstaatsanwalt einzuschalten, sie aus dem »Gefängnis«, also dem Irrenhaus Umedalen, zu befreien und die Mutter anzuzeigen.
    Er las den Brief, geschüttelt von nahezu biblischem Erschauern, und verbrannte ihn nicht.
    Ihre Mutter, die ja tiefgläubig war, fast streng, eine ernste Christin, tadelte gern. Getadelt wurden jene, die nicht vor Liebe zum Erlöser kochten. Dass ihre Tochter Malin verrückt geworden war aufgrund des verbotenen Verlobten, hatte sie inständig bedauert, aber mit dem Satz kommentiert: Besser eine verrückte Tochter im Himmel als eine sündige Tochter in der Hölle. Sie hatte für ihr Tadeln auch Regeln aufgestellt, mit denen sie die Kochenden von den Lauen unterschied.
    Es konnte auch vorkommen, dass sich das Tadeln gegen seine Mutter Maja richtete, die im Kirchenchor in Bureå sang, manchmal solo, weil sie einmal Opernsängerin hatte werden wollen, aber durch ihre höhere Ausbildung zur Volksschullehrerin daran gehindert wurde. Der Grund für den Tadel war, dass er, also der Sohn, in der Zeit seines Aufenthalts in Uppsala, einem Gerücht zufolge den Glauben wegstudiert habe. Er hatte auch erfahren, dass seine Mutter Angst hatte!, vor dieser Tyra Nordmark, die aus Istermyrliden stammte , aber am Skärvägen wohnte!!!
    Er war baff! Angst!? Seine Mutter, die in ihren besten Zeiten ein ganzes Dorf regiert hatte?
    Dem Brief von Malin zufolge (er erhielt ihn unter der Adresse Sjömansgatan 9 nachgesandt) hatte die Mutter der Irrenhausinsassin, also die in der Gemeinde so aktive Tyra Nordmark, vor der nicht nur et Maja, sondern auch de Pastor Ollikainen Angst hatte, mit ihrem vierundzwanzig Jahre älteren Onkel, Pastor in Arvidsjaur, eine sexuelle Beziehung begonnen.
    So stand es im Brief der Tochter! Und der war an die falsche Adresse in Uppsala geschickt, aber nachgesandt worden!
    Dieser Onkel war dem Brief zufolge – der voller liederlicher Details, aber so biblisch verantwortungsvoll abgefasst war, dass es dem Leser ein Kribbeln am ganzen Körper verursachte – halbers impotent gewesen, weshalb es zu einer Penetration nie gekommen war. Was geschehen war, hatte sich hart an der Grenze des ganz und gar Verbotenen bewegt, eine Todsünde, die in Erregung versetzt hatte.
    Der Charakter des Briefs als liederlicher Bibeltext hatte sich graduell gesteigert und war von Einfühlung geprägt gewesen, soweit seine Erinnerung an den Inhalt, jetzt im Frühjahr 2011, aber es war auch damals in den fünfziger Jahren eine starke Lektüre gewesen, daran erinnerte er sich scharf.
    Danach hatte die Mutter Tyra dem Verleumdungsbrief zufolge auch gewisse andere Beziehungen sexuellen Charakters gehabt, aber nie mit dem gleichen Reiz für den Leser. Sie hatte, behauptete die Tochter wütend, aber jetzt mit fein gestimmter und weniger biblischer Sprache, den sterbenden Onkel im Sanatorium in Hallnäs nur einmal besucht.
    Er hatte auf der Frischluftterrasse (es war im Februar gewesen) gelegen und ihr erzählt, dass er immer viel an sie gedacht habe. Bleich und elend hatte er ausgesehen und sie gebeten, ihn liebkosend zu berühren, damit ich mich an deine Hand erinnern kann, wenn ich mir vorstelle, dass diese deine Hand mich am Pimmel berührt, wenn ich allein bin und an dich denke .
    Wie konnte die Großkusine wissen, was die Mutter oder der Pastor aus Arvidsjaur gesagt! oder gedacht! hatten? Die reine Dichtung! Allein das zeigt ja …!
    Doch es gab andere Unklarheiten, oder Doppelungen, die ebenso schwer zu lösende Rätsel aufgaben, wie die neun verschwundenen Blätter im Notizblock.
    Die Mutter Tyra hatte, dem Brieftext zufolge, den Pastor aus Arvidsjaur, jetzt in Moskosel begraben, am Pimmel berührt, obwohl die anderen auf der Frischluftterrasse lagen und glotzten. Es war unter der schwarzen Wolldecke. Er hatte fast lautlos gewimmert wie ein Hundewelpe. Selbst hatte diese Mutter, dem Brief zufolge, eine beinahe berauschende Macht verspürt und ebenfalls gewimmert.
    Sie meinte wohl mit Liebe das Verbotene.
    Als die Liebe zum Aufhören gebracht wurde, indem der Onkel erkrankte und ausfiel, kurz gesagt, als er starb, da kam ein Gefühl von Verzweiflung auf bei der Mutter Tyra, also der, die später den angehenden Prediger hinauswarf, der auf der Tochter sein wollte, also rein fleischlich; eine Verzweiflung, die sie nur vorübergehend lindern konnte, indem sie sich rieb. Was ist den

Weitere Kostenlose Bücher