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Das Buch der Gleichnisse

Das Buch der Gleichnisse

Titel: Das Buch der Gleichnisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Per Olov Enquist
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kannste so was vonne Tyra saang, die so warm gläubig is …, und er hatte sie unterbrochen, und dann hatten sie eine Weile hin und her gesprochen.
    Aber sie war den ganzen Abend nachdenklich gewesen. Als habe sie zu grübeln angefangen. Sie wurde zwar zuweilen zornig, und ihre Trauer darüber, dass er vielleicht den Glauben wegstudiert hatte, war so stark, dass ihr die Hände zitterten, aber in gewisser Weise respektierte sie ihn trotzdem. Sie wurde ganz stumm und grüblerisch.
    Auf diese Weise war die Großkusine aus Istermyrliden ein Vorbild geworden, wenn man es so sah. Also: zuerst die Großkusine, die kaputtgemacht worden war, dann der detaillierte Verleumdungsbrief, der ihm trotz seiner festen Gewissheit Frostschauer durch den Körper jagte, dann das Postfräulein in Brattby, dann der Höhepunkt mit der Frau auf dem astfreien Kiefernholzboden.
    Es war glasklar. So wurde er geschaffen. Hatte er etwas vergessen?
    Nein!
    Nichts?
    Nie würde seine eigene Mutter gehandelt haben wie ’e Tyra Nordmark, obwohl ja beide warm gläubig gewesen waren, wenn man daran denkt, wenn man daran denkt, wenn man daran denkt.
    Später hatte er verstanden, dass der Befreiungskampf weit früher begonnen hatte.
    Zuerst hatte er, sieben Monate alt, vom hinteren Ende des Zimmers durchs Fenster etwas Schiefes erkennen können, das sie Baum genannt hatte, oder Eberesche, oder Glücksbaum; das Schlimmste war, dass der Baum verschwand, wenn er näher kroch, es war der Winkel, der das bewirkte, und was er sah, wurde blau, und manchmal ein Vogel, der langsam, in einem totenstillen Sturm rückwärtsfliegend, das Feld des Fensters kreuzte, und wie da der Vogel ihn beruhigend betrachtete, aber ohne sein heftiges Rufen zu erhören.
    Das war das Übliche. Die Mutter erhörte seine Bitten nur mit abwehrenden Gesten und Gurgellauten, also dass sie die heimlich flüsternden Signale deuten sollte. Er wusste noch nicht, dass es dort draußen einen Zusammenhang gab, der weder Rufe noch Brüllen verlangte.
    Mit abwehrenden Gesten flehte er sie um Hilfe an, oder auf jeden Fall um eine Bekräftigung, nur ein paar Worte: Du taugst?
    Immer noch nicht. Die Zeichen stumm.
    Aber wenn jetzt die neun Blätter etwas verheimlichten? Und der Vater deshalb gleichsam wütend war?
    Warum hielt er selbst die Frau auf dem astfreien Kiefernholzboden geheim? Dies, das vielleicht größer war als das Wunder des Glaubens, obwohl alle, die durchgekommen waren , es heftig abstritten? Irgendwo musste sich in seinem Leben ein geheimnisvoller Punkt befunden haben, als sei er in einen verdunkelten Rangierbahnhof mit knallenden Weichen gekommen, die den Kartoffelsack des Glaubens gewaltsam auf ein fast überwachsenes Abstellgleis lenkten, und er selbst wurde jetzt eingespeist in das, was Das Leben genannt wurde, und dort war das Eigentliche.
    Aber warum dann die eiskalten Nächte in Paris.
    Er besinnt sich, bald ist er nahe daran, er muss nach den neun herausgerissenen Blättern suchen und sie verbrennen, ungelesen, auf die gleiche Art und Weise, wie die Frau auf dem astfreien Kiefernholzboden unbekannt bleiben muss.
    Ja, da, in dem Unverbrannten, aber bald Vernichteten fand sich das Geheimnis dessen, was als Rest hängen blieb.

Kapitel 3
Das Gleichnis
von der Tante, die es wagte
    Immer größere Schwierigkeiten mit den Korrekturen der Rede im Gemeindehaus.
    Er hat beschlossen, die Frau auf dem astfreien Kiefernholzboden einzufügen, aber die sterbenden Freunde, unisono murmelnd, scheinen es für unnötig zu halten, dies in die Rede hineinzupressen.
    Er entgegnet da in schriftlicher und bezeugter Form, dass es beispielsweise jene gab, die Uhrzeit und Datum wussten, als sie durchgekommen waren , also den genauen Erweckungsaugenblick. Sollte sein eigenes Zeugnis über einen, der durchgekommen war, nicht zur himmlischen Liebe, sondern der sich in die irdische Liebe, die bedingungslose, erlöst hatte und sich seitdem immer an die Uhrzeit und das Datum erinnerte, sollte dies Zeugnis nicht ebenso bedeutungsvoll sein? Und sollte es nicht als das Gleichnis von einem Liebesroman bezeichnet werden können? Und dass dieses Geschehen sich nicht über längere Zeit erstreckte, sondern gerade dieser Augenblick war? Nur da!
    Da verstummten die Einwände, kleingläubig, für einen Augenblick, und in Hass.
    Diese Stolpersteine! Auf dem Weg! Vielleicht war das Sibelius’ Problem.
    Er hatte es nicht gewagt. Es war nicht der Schnaps.
    *
    Im November 2011 zeigt sein Sohn ihm ein Bild von Elof, ein

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