Das Buch der Schatten 1 - Verwandlung
Straßenseite von dort, wo wir Mabon gefeiert haben. Wir treffen uns um halb zwölf, und falls wir als Schüler eines neuen Hexenzirkel initiiert werden, wird dies um Mitternacht geschehen.«
»Wow. Okay. Willst … willst du es machen?«
»Wir sollen nicht darüber reden und uns auch noch nicht entscheiden«, erklärte Robbie. »Cal hat gesagt, wir sollen jeder für sich darüber nachdenken, ganz persönlich. Oh, und jeder soll was mitbringen. Ich hab gesagt, du bringst Blumen und Äpfel mit.«
»Danke, Robbie«, sagte ich von Herzen. »Müssen wir etwas Besonderes anziehen?«
»Schwarz oder orange«, sagte er. »Bis morgen.«
»Okay. Danke.«
In der Kirche war es an diesem Tag wie immer. Vater Hotchkiss meinte, das Beste sei eine lückenlose Verteidigung, damit das Böse keine Möglichkeit finde, sich Zugang zur Seele zu verschaffen.
Ich beugte mich über meine Mutter zu Mary K. »Merk dir das«, flüsterte ich. »Kein Schlupfloch für das Böse.«
Sie verbarg ihr Grinsen hinter dem Gottesdienstprogramm.
An dem Tag war ich trotz Vater Hotchkiss mit allen Sinnen auf den Gottesdienst eingestellt. Ich überlegte,
ob ich durch die Ausübung von Wicca wirklich und wahrhaftig nie wieder in die Kirche gehen konnte. Und kam zu dem Schluss, dass dem nicht so war. Der Gottesdienst würde mir fehlen, wenn ich nicht mehr daran teilnähme, und ich wusste auch, dass mich meine Eltern umbringen würden. Wenn ich mich irgendwann einmal entscheiden musste, dann würde ich das auch tun, doch das hatte noch Zeit. Ich dachte daran, was Paula Steen gesagt hatte: Was zählte, war, was man in eine Sache einbrachte.
Heute lauschte ich den Liedern und der großen Orgel, die von Mrs Lavender gespielt wurde, wie schon damals, als meine Mutter ein Kind gewesen war. Ich liebte die Kerzen, den Weihrauch und die formelle Prozession der Priester in ihren goldenen Gewändern und der weiß gekleideten Messdienerinnen und Messdiener. Ich war auch zwei Jahre Messdienerin gewesen, genau wie Mary K. Es war alles so tröstlich, so vertraut.
Nach der Kirche und dem Brunch im Widow’s Diner fuhr ich mit der Einkaufsliste für die Woche zum Lebensmittelladen. Auf dem Weg dorthin machte ich rasch einen Abstecher nach Red Kill zu Practical Magick. Ich hatte nicht vor, etwas zu kaufen, und ich traf auch niemanden, den ich kannte, doch ich stand eine Weile zwischen den Bücherregalen und las in verschiedenen Büchern, was dort über Samhain stand. Ich beschloss, am nächsten Samstag eine schwarze
Kerze mitzunehmen, denn die Farbe Schwarz half dabei, Negatives abzuwehren. Ich war versucht, Bree so viele schwarze Kerzen zu kaufen, dass es für ihr gesamtes Zimmer reichen würde.
Meine Wut auf sie loderte immer noch wie Feuer in mir. Nicht zu fassen, dass sie so arrogant war zu glauben, sie könnte mich aus dem Kreis schmeißen. Es zeigte nur wieder, dass Bree in unserer Freundschaft schon immer diejenige gewesen war, die den Ton angab. Ich war ihr immer gefolgt. Das sah ich jetzt ganz deutlich und es machte mich auch wütend auf mich selbst.
Und mir graute davor, am nächsten Tag in die Schule zu gehen.
»Kann ich dir helfen?« Eine ältere Frau, die einige Zentimeter kleiner war als ich und ein freundliches Gesicht hatte, trat lächelnd näher, während ich mir noch die Kerzen anschaute.
Ich beschloss, es zu wagen. »Ähm, ja. Ich brauche eine schwarze Kerze für Samhain.«
»Sicher.« Sie nickte und wandte sich den schwarzen Kerzen zu. »Du hast Glück, dass wir noch welche haben. Die sind diese Woche weggegangen wie warme Semmel.« Sie hielt zwei verschiedene schwarze Kerzen hoch: eine dicke Stumpenkerze, ungefähr dreißig Zentimeter hoch, und eine lange, schlanke, an die vierzig Zentimeter hohe Wachskerze.
»Beide wären passend«, sagte sie. »Die Stumpenkerzen
halten länger, aber die dünnen Wachskerzen sind auch sehr elegant.«
Die Stumpenkerze war um einiges teurer.
»Ähm, ich glaube, ich nehme … die Stumpenkerze«, sagte ich. Ich hatte eigentlich »die dünne Wachskerze« sagen wollen, doch es war anders herausgekommen. Die Frau nickte wissend.
»Ich glaube, die Stumpenkerze will mit dir nach Hause«, sagte sie, als wäre es ganz normal, dass Kerzen sich einen Besitzer aussuchten. »Ist das dann alles für dich?«
»Ja.« Ich folgte ihr zur Kasse. Sie war längst nicht so gruselig wie der andere Verkäufer, sondern viel sympathischer. Aus einer Eingebung heraus griff ich doch noch nach einem Buch, in dem ich gerade über
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