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Das Buch der Toten

Das Buch der Toten

Titel: Das Buch der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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mehr lebendig.«
    Tötungsdelikt Nummer acht.
    Die ersten sieben waren eigentlich ganz erträglich gewesen, vom Ekelfaktor her. Viel zu ermitteln hatten sie auch nicht gehabt. Wie bei fast jedem Fall im Central-Revier waren die Opfer allesamt Schwarze oder Mexikaner gewesen, genau wie die Täter. Wenn er mit Schwinn aufkreuzte, waren die einzigen weißen Gesichter am Tatort außer ihren eigenen die der Uniformierten und der Jungs von der Spurensicherung.
    Fälle, bei denen Schwarze oder Latinos beteiligt waren, bedeuteten Tragödien, über die nie etwas in den Zeitungen stand; meistens wurde das Strafmaß außergerichtlich ausgehandelt und der Fall zu den Akten gelegt; falls der Übeltäter einen besonders dämlichen Pflichtverteidiger erwischte, konnte es sein, dass er eine ganze Weile im County-Gefängnis schmorte, bevor es zur Verhandlung kam, die dann sehr schnell über die Bühne ging und mit einer Verurteilung zur Höchststrafe endete.
    Die ersten beiden Einsätze waren stinknormale Kneipenschießereien gewesen, die Täter Suffköpfe, die so dicht waren, dass sie seelenruhig abwarteten, bis die Polizei eintrafdie sie praktisch mit der rauchenden Knarre in der Hand einkassieren konnte, was sie ohne Widerstand geschehen ließen.
    Milo beobachtete, wie sein Partner mit solchen Idioten umsprang, und hatte bald begriffen, wie Schwinns Masche funktionierte. Zuerst nuschelte der dem verdutzten Täter einen unverständlichen Sermon über seine Rechte ins Ohr. Dann quetschte er gleich vor Ort ein Geständnis aus dem armen Trottel heraus. Dabei achtete er stets darauf, dass Milo Notizblock und Bleistift bereithielt und alles aufschrieb.
    »Guter Mann«, sagte er hinterher zu dem Verdächtigen, als ob der Arsch irgendeine Prüfung bestanden hätte. Über die Schulter raunte er Milo zu: »Kannst du einigermaßen tippen?«
    Und dann zurück zum Revier, wo Milo in die Tasten haute, während Schwinn sich aus dem Staub machte.
    Bei den Fällen Nummer drei, vier und fünf ging es um häusliche Gewalt. Gefährlich für die Jungs in Blau, die als Erste vor Ort waren, aber leichte Arbeit für die Detectives. Drei allzu impulsive Ehemänner, zweimal Schusswaffen, einmal Messer. Man redete mit der Familie und den Nachbarn, fand heraus, wo die Täter sich versteckt hielten, meistens ganz in der Nähe, rief Verstärkung, schnappte sich den Kerl. Schwinn murmelte sein Sprüchlein über die Rechte…
    Tötungsdelikt Nummer sechs war ein Raubmord. Zwei Kerle hatten einen der Modeschmuck-Discounter auf dem Broadway überfallen, billige Silberkettchen und unreine Diamantsplitter in kitschigen Zehn-Karat-Fassungen. Der Raubüberfall war geplant, aber der tödliche Schuss war ein Missgeschick, der Revolver des einen der beiden Helden ging aus Versehen los, und die Kugel traf den achtzehnjährigen Sohn des Verkäufers mitten in der Stirn. Großer, gut aussehender Bursche namens Kyle Rodriguez, Footballstar der El Monte Highschool, hatte zufällig gerade seinen Dad besucht und ihm die gute Nachricht überbracht, dass er ein Sportstipendium für die Arizona State University bekommen hatte.
    Auch dieser Fall schien Schwinn eher zu la ngweilen, aber trotzdem zeigte er, was er draufhatte, auf seine Weise. Er beauftragte Milo, die ehemaligen Angestellten des Ladens zu überprüfen zehn zu eins, dass sich dort der Täter finden würde. Er lieferte Milo am Revier ab und fuhr weiter zu einem Arzttermin, woraufhin er sich für den Rest der Woche krankmeldete. Milo rannte sich drei Tage lang die Sohlen heiß, stellte eine Liste zusammen und nahm schließlich einen Putzmann ins Visier, der vor einem Monat von dem Schmuckladen gefeuert worden war, weil man ihn des Diebstahls verdächtigte. Er spürte den Kerl in einer Absteige in Central L. A. auf, wo er noch mit seinem Schwager hauste, der bei dem Verbrechen sein Komplize gewesen war. Beide wurden eingesperrt, und Schwinn tauchte wieder auf, sah aus wie das blühende Leben und meinte nur: »Ja, es gab einfach keine andere Möglichkeit, hast du den Bericht schon fertig?«
    Dieser Fall ging Milo noch eine ganze Weile nach: das Bild von Kyle Rodriguez' braun gebranntem Körper, der leblos über den Schmuckvitrinen hing. Das raubte ihm mehr als nur ein paar Nächte lang den Schlaf. Keine philosophischen oder theologischen Gedanken, er war lediglich nervös und gereizt. Er hatte jede Menge junge, gesunde Burschen auf viel qualvollere Weise als Kyle zu Grunde gehen sehen und hatte längst nicht mehr den

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