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Das Buch der Toten

Das Buch der Toten

Titel: Das Buch der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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Anspruch, diese Dinge zu verstehen.
    Er verbrachte die schlaflosen Stunden, indem er mit seinem alten Fiat durch die Gegend fuhr. Den Sunset Boulevard entlang, von der Western Avenue bis La Cienega und wieder zurück. Bevor er endlich nach Süden auf den Santa Monica Boulevard abbog. Als ob er das nicht schon die ganze Zeit vorgehabt hätte.
    Er spielte ein Spiel mit sich selbst, so wie jemand, der auf Diät ist und um ein Stück Cremetorte herumschleicht.
    Willenskraft war noch nie seine Stärke gewesen.
    Drei Abende in Folge streifte er durch die Schwulenmeile Boystown. Geduscht und rasiert und parfümiert, mit einem sauberen weißen T-Shirt, militärisch korrekt gebügelten Jeans und weißen Tennisschuhen. Er wäre gerne hübscher und schlanker gewesen, aber er sagte sich, dass er keine allzu schlechte Figur machte, wenn er seinen Schlafzimmerblick aufsetzte, den Bauch einzog und seine Nerven unter Kontrolle behielt, indem er sich das Gesicht rieb. Am ersten Abend reihte sich an der Fairfax ein Streifenwagen in den Verkehr ein, blieb zwei Autolängen hinter seinem Fiat und löste so allerhand paranoide Befürchtungen aus. Er hielt sich strikt an die Verkehrsregeln, fuhr zurück zu seinem miesen kleinen Appartement an der Alexandria, trank Bier, bis er glaubte, sein Bauch müsse jeden Moment platzen, zog sich das schlechte Fernsehprogramm rein und behalf sich ansonsten mit seiner Fantasie. Am zweiten Abend waren keine Sheriffs in Sicht, aber er brachte nicht die nötige Energie auf, um Kontakte zu knüpfen, und schließlich fuhr er einfach nur den ganzen Weg bis zum Strand und zurück, wobei er fast am Steuer eingeschlafen wäre.
    In der dritten Nacht fand er sich auf einem Hocker in einer Bar in der Nähe von Larabee wieder. Er schwitzte verdammt stark, wusste, dass er noch angespannter war, als er sich fühlte, weil sein Nacken verteufelt wehtat und seine Zähne pochten, als ob sie zerbröseln wollten. Endlich, kurz vor vier Uhr früh, noch bevor das unfreundliche Sonnenlicht sein Gesicht treffen konnte, gabelte er einen Typen auf, einen jungen Schwarzen ungefähr in seinem Alter. Gut angezogen, drückte sich gewählt aus, studierte Pädagogik am UCLA. Was die Ehrlichkeit in sexuellen Dingen betraf, war er in etwa auf Augenhöhe mit Milo.
    Sie fuhren zu der schäbigen kleinen Studentenwohnung des Jungen in der Selma Avenue südlich des Hollywood Boulevard.
    Einer war nervöser und unsicherer als der andere. Der Typ war am UCLA, wohnte aber unter Junkies und Hippies östlich der Vine Street, weil er sich die Westside nicht leisten konnte. Höfliches Geplauder, und dann… war innerhalb von Sekunden alles vorbei. Sie wussten beide, dass es kein zweites Mal geben würde. Der Typ hatte Milo erzählt, sein Name sei Steve Jackson, aber als er ins Bad ging, entdeckte Milo einen Kalender, in dessen Einband die Buchstaben WES eingeprägt waren. Auf der Innenseite fand er einen Adressaufkleber. Wesley E. Smith. Die Adresse in der Selma Avenue.
    Intimitäten.
    Ein trauriger Fall, Kyle Rodriguez, aber er kam darüber weg, als Fall Nummer sieben seine Aufmerksamkeit in Anspruch nahm. Eine Messerstecherei auf der Straße, wieder mal auf der guten alten Central Avenue. Auf dem Asphalt war jede Menge Blut, aber es gab nur eine Leiche, einen zirka dreißigjährigen Mexikaner in Arbeitsklamotten, mit dem selbst gemachten Haarschnitt und den billigen Schuhen, an denen man den erst kürzlich angekommenen, illegalen Einwanderer erkennt. Zwei Dutzend Zeugen in einer nahen Cantina sprachen kein Englisch und taten, als seien sie blind. Hier war nun überhaupt keine Detektivarbeit nötig; die Jungs in Blau waren so nett, den Fall aufzuklären. Eine Streife entdeckte den torkelnden Täter zehn Blocks vom Tatort entfernt; er war selbst schwer verletzt und blutete wie ein Schwein. Die Uniformierten legten dem Kerl, der wie am Spieß schrie, Handschellen an, setzten ihn auf den Randstein und riefen zuerst Schwinn und Milo an, dann den Krankenwagen, der den armen Teufel zur Gefängnisstation des County Hospital transportierte.
    Als die Detectives eintrafen, wurde der Idiot gerade auf eine Trage geladen. Er hatte so viel Blut verloren, dass es unklar war, ob sie ihn durchbringen würden. Er überlebte schließlich, büßte aber den größten Teil seines Dickdarms ein. Noch auf dem Krankenbett machte er seine Aussage, erschien im Rollstuhl zur Verhandlung und bekannte sich schuldig, woraufhin er wieder zur Gefängnisstation zurückgeschickt

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