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Das Buch der Unruhe des Hilfsbuchhalters Bernardo Soares: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Das Buch der Unruhe des Hilfsbuchhalters Bernardo Soares: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Das Buch der Unruhe des Hilfsbuchhalters Bernardo Soares: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Zenith , Fernando Pessoa
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Schmerz materialisiert und daher eher in einem Ende vergeistigt, möglicherweise ist es auch eine Müdigkeit, die einen so tiefen Schlaf verlangt, daß bloßes Schlafen ihr nicht genügt – auf alle Fälle aber fühle ich mich wie ein Kranker, dessen Zustand sich so weit verschlechtert hat, daß er seine schwachen Hände nur noch ohne Aufbegehren oder Bedauern über die Bettdecke breiten kann, die er unter seinen Fingern fühlt …
    Dann überlege ich, was es auf sich hat mit dem, was wir Tod nennen. Ich meine nicht das Geheimnis des Todes, das ich nicht ergründen kann, sondern die körperliche Empfindung, daß man zu leben aufhört. Die Menschheit hat Angst vor dem Tod, aber diese Angst ist unbestimmt; ein normaler Mensch läßt sich nicht unterkriegen, und ist ein normaler Mensch krank oder alt, schaut er nur selten mit Entsetzen in den Abgrund des Nichts, das er diesem Abgrund zuschreibt. Und dies alles, weil es ihm an Phantasie fehlt. Aber betrachtet ein Denkender den Tod als Schlaf, ist das nicht viel besser. Warum Schlaf, wenn Tod nicht gleich Schlaf ist? Das Wesentliche am Schlaf ist, daß man aus ihm erwacht, aber aus dem Tod, soweit wir wissen, nicht. Und wenn Tod gleich Schlaf ist, sollten wir doch annehmen können, daß man aus ihm erwacht. Aber das entspricht nicht der Vorstellung eines normalen Menschen: Er stellt sich den Tod als Schlaf vor, aus dem man nicht erwacht, was nichts besagt. Doch wie ich bereits sagte, ist Tod nicht gleich Schlaf, denn im Schlaf schläft und lebt man; ich weiß nicht, wie jemand den Tod mit irgend etwas vergleichen kann, da er weder Erfahrung mit ihm haben kann noch etwas hat, womit der Tod sich vergleichen ließe.
    Mir kommt der Tod, wenn ich einen Toten sehe, wie eine Abreise vor. Der Leichnam wirkt auf mich wie ein abgelegtes Kleidungsstück. Jemand ist gegangen, ohne das einzige Kleid, das je wirklich sein war, mitnehmen zu müssen.

41
    14 .  3 .  1930
    Stille geht aus vom Geräusch des Regens und verbreitet sich in einem Crescendo grauer Monotonie in der engen Straße, die ich betrachte. Ich schlafe hellwach am Fenster stehend, an das ich mich, wie an alles, lehne. Ich suche in mir zu erfahren, welche Empfindungen ich habe bei dem zerfaserten Niederrinnen dunkel-lichten Wassers, das sich von den schmutzigen Fassaden und mehr noch von den geöffneten Fenstern abhebt. Doch ich weiß weder, was ich empfinde, noch, was ich empfinden will, ich weiß weder, was ich denke, noch, was ich bin.
    Die ganze verspätete Bitterkeit meines Lebens legt in meinen blicklosen Augen das Gewand natürlicher Heiterkeit ab, das sie zu den vielen unerwarteten tagtäglichen Gelegenheiten trägt. Ich stelle fest, daß ich mich, sooft ich auch heiter und zufrieden bin, doch immer traurig fühle. Und was in mir dies feststellt, steht hinter mir, beugt sich gleichsam über mein Am-Fenster-Lehnen und starrt über meine Schultern und gar meinen Kopf hinweg, mit Augen, innerlicher als die meinen, auf den trägen, wellenförmig rinnenden Regen, der die graue ungute Luft ziseliert.
    Könnte man doch alle Pflichten stehen- und liegenlassen, auch jene, die nichts von uns fordern, jeden heimischen Herd zurückweisen, auch den, der nicht unser ist, vom Ungenauen und von Spuren leben zwischen großem Wahnsinnspurpur und falschen Spitzenkrausen erträumter Majestäten … Etwas sein, das nicht die Last des äußeren Regens fühlt, nicht das Leid der inneren Leere … Ohne Seele und Gedanken – Empfindung ohne Empfindung – einen Weg beschreiten, der um Berge führt, durch Täler, eingebettet zwischen Steilhängen, fern und schicksalhaft … Sich in gemäldegleichen Landschaften verlieren. Nicht-Sein in Ferne und Farben …
    Ein leichter Windhauch, den ich nicht spüre hinter dem Fenster, zerteilt das geradlinige Fallen des Regens in luftige Unebenheiten. Ein Teil des Himmels, den ich nicht sehe, hellt sich auf. Ich bemerke das, weil ich hinter den angeschmutzten Scheiben des gegenüberliegenden Fensters bereits undeutlich den Kalender an der Wand erkenne, den ich bisher nicht erkennen konnte.
    Ich vergesse. Ich sehe nicht, denke nicht.
    Der Regen hört auf, und von ihm bleibt für einen Augenblick leichter Staub aus winzigen Diamanten, als hätte man in der Höhe aus einem großen bläulichen Tischtuch Krümel geschüttelt. Man spürt, daß ein Teil des Himmels schon blau ist. Durch das gegenüberliegende Fenster ist jetzt deutlich der Kalender zu sehen. Er zeigt ein Frauengesicht, und alles

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