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Das Buch der Unruhe des Hilfsbuchhalters Bernardo Soares: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Das Buch der Unruhe des Hilfsbuchhalters Bernardo Soares: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Das Buch der Unruhe des Hilfsbuchhalters Bernardo Soares: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Zenith , Fernando Pessoa
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andere ist einfach, weil ich mich daran erinnere, und die Zahnpastamarke ist die bekannteste von allen.
    Doch woran dachte ich, bevor ich mich so sehend verlor? Ich weiß es nicht. Wille? Anstrengung? Leben? Das Licht bricht durch und läßt einen fast ganz und gar blauen Himmel ahnen. Doch keine Ruhe – ach, es wird sie nie geben! – auf dem Grund meines Herzens, diesem alten Brunnen am Ende des verkauften Landguts, Erinnerung an die mit Staub verschlossene Kindheit auf dem Dachboden eines fremden Hauses. Keine Ruhe – und ich verspüre, weh mir!, nicht einmal das Verlangen, sie zu finden …

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    Ich begreife mein Verharren in diesem immer gleichen Leben, diesem Staub, diesem Schmutz an der Oberfläche des Nie-Veränderns einzig als ein Fehlen persönlicher Hygiene.
    So wie wir unseren Körper waschen, sollten wir auch unser Schicksal waschen, das Leben wechseln wie Wäsche – nicht, um uns am Leben zu erhalten, wie durch Nahrung oder Schlaf, sondern aus jener wertfreien Selbstachtung, die genau wir Hygiene nennen.
    Bei vielen Menschen ist dieser Mangel an Hygiene nicht etwa als bewußt gewollt zu verstehen, sondern vielmehr als ein Achselzucken ihres Intellekts. Und bei vielen ist ein immer gleiches stumpfsinniges Leben nicht auf eine freie Entscheidung zurückzuführen oder auf ein natürliches Sich-Schicken in eine ungewollte Existenz, sondern auf eine getrübte Wahrnehmung ihrer selbst, auf einen ironischen Automatismus ihres Intellekts.
    Manchen Schweinen widerstrebt die eigene Schweinerei, dennoch lassen sie nicht ab von ihr, und zwar aus dem gleichen übersteigerten Gefühl heraus, aus dem ein verängstiger Mensch die Gefahr nicht flieht. Wie ich suhlen sich manche Schweine in ihrem Schicksal und lassen, fasziniert vom eigenen Unvermögen, nicht ab von der Banalität ihres Lebens. Sie sind wie Vögel, die allein der Gedanke an die Schlange fesselt, wie Fliegen, die blindlings Baumstämme umkreisen, bis sie in die klebrige Reichweite einer Chamäleonzunge geraten.
    So führe ich mein bewußtes Unbewußtes langsam zwischen den Baumstämmen meines gewöhnlichen Lebens spazieren. So führe ich mein Schicksal spazieren, das seinen Lauf nimmt, da ich stehenbleibe; und meine Zeit, die vergeht, da ich stillstehe. Nichts rettet mich vor dieser Monotonie, nichts, bis auf meine kurzen Kommentare zu ihr. Zwischen den Gittern meiner Zelle sind Fenster, das reicht – ich schreibe auf das Glas, auf den Staub des Notwendigen, meinen Namen in Großbuchstaben, unterzeichne so täglich mein Abkommen mit dem Tod.
    Mit dem Tod? Nein, nicht einmal mit dem Tod. Wer lebt wie ich, stirbt nicht: er vergeht, verwelkt, vervegetiert. Der Ort, an dem er war, bleibt, ohne daß er dort ist, die Straße, durch die er ging, bleibt, ohne daß man ihn dort sieht, das Haus, in dem er wohnte, ist bewohnt von nicht-ihm. Das ist alles, und wir nennen es nichts; aber nicht einmal diese Tragödie der Verneinung können wir spielen und zugleich mit Beifall bedenken, denn wir wissen nicht einmal mit Gewißheit, ob sie nichts ist, wir, Vegetierende der Wahrheit wie des Lebens, Staub auf Fensterscheiben, innen wie außen, wir, Enkel des Schicksals, Stiefkinder Gottes, der sich vermählte mit der Ewigen Nacht, Witwe des Chaos, dessen wahre Kinder wir sind.

    Fortgehen aus der Rua dos Douradores hin zum Unmöglichen … Mich von meinem Schreibpult aufrichten hin zum Unbekannten … Aber zwischen all dies schiebt sich die Vernunft – das Große Buch, welches sagt, daß es uns gegeben hat.

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    23 .  3 .  1930
    Die abstrakte Intelligenz macht müde, und diese Müdigkeit ist die schrecklichste von allen. Sie lastet nicht auf uns wie die Müdigkeit des Körpers und beunruhigt nicht wie die durch eine emotionale Erfahrung geweckte Müdigkeit. Es ist eine Last des Bewußtseins von der Welt, ein Nicht-mit-der-Seele-atmen-Können.
    Dann zerreißen wie Wolken im Wind alle Vorstellungen, in denen wir das Leben gespürt haben, und aller Ehrgeiz, alle Pläne, in die wir unsere Erwartung an die Zukunft gesetzt haben, verwehen wie Asche und Nebel, Fetzen dessen, was nie war noch je sein könnte. Und mit der Nachhut dieser Niederlage erscheint rein die schwarze, unversöhnliche Einsamkeit des leergefegten, bestirnten Firmaments.
    Das Geheimnis des Lebens schmerzt und erschreckt uns auf vielfache Weise. Manchmal überkommt es uns wie ein gestaltloses Gespenst, und die Seele erzittert vor der schlimmsten aller Ängste – vor der ungestalten Inkarnation

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