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Das Buch der Unruhe des Hilfsbuchhalters Bernardo Soares: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Das Buch der Unruhe des Hilfsbuchhalters Bernardo Soares: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Das Buch der Unruhe des Hilfsbuchhalters Bernardo Soares: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Zenith , Fernando Pessoa
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Ärmlichem birgt, daß ich es nur wirklich wahrnehmen kann, wenn ich selbst mich nicht wirklich wahrnehme. Ein Park ist ein Abriß der Zivilisation – eine anonyme Veränderung der Natur. Es gibt dort Pflanzen, aber auch Straßen – ja, Straßen. Es gibt dort Bäume, aber auch Bänke in ihrem Schatten. Und hier, auf den breiten Gehwegen, ausgerichtet nach den vier Himmelsrichtungen der Stadt, wirken die Bänke größer und sind fast immer besetzt.
    Ich habe nichts gegen Blumen in abgezirkelten Beeten. Wohl aber gegen den öffentlichen Gebrauch von Blumen. Befänden sich die Blumenbeete in geschlossenen Parks, übergrünten die Bäume feudale Refugien, wären die Bänke leer, gäbe es etwas, womit ich mich bei der zweckfreien Betrachtung von Parks trösten könnte. Doch hier in der Stadt wirken die Parkanlagen – zurechtgestutzt und zweckbetont – wie Käfige auf mich, in denen der bunte Wildwuchs von Bäumen und Blumen gerade so viel Raum hat, um ihn nicht zu haben, ausreichend Platz, um ihm nicht zu entkommen, und eine Schönheit ohne jene Lebendigkeit, wie sie Schönheit eigen ist.
    Aber es gibt Tage, an denen diese Landschaft zu mir gehört und ich in ihr bin wie ein Schauspieler in einer Tragikomödie. An diesen Tagen gaukle ich mir etwas vor, doch bin ich zumindest in gewisser Weise glücklicher. Bin ich abgelenkt, bilde ich mir ein, ich hätte wirklich ein Haus, ein Heim, in das ich zurückkehren könnte. Wenn ich vergesse, werde ich ein normaler Mensch, einem bestimmten Ziel zugedacht, bürste mir einen anderen Anzug aus und lese die Zeitung von vorn bis hinten.
    Aber die Illusion hält nicht lange, teils, weil sie so beschaffen ist, teils, weil es Abend wird. Und die Farbe der Blumen, der Schatten der Bäume, die Geometrie von Straßen und Beeten – alles verblaßt und schrumpft. Und über meinem Irrtum und meinem Menschsein erscheint plötzlich, als sei das Tageslicht ein Theatervorhang, der sie vor mir verbarg, die große Sternenkulisse. Dann vergessen meine Augen das amorphe Parkett, und aufgeregt wie ein Kind im Zirkus erwarte ich die ersten Darsteller.
    Ich bin befreit und bin verloren.
    Ich fühle. Fieberfrost. Bin ich.

68
    Müde, aller Illusionen müde und all dessen, was sie mit sich bringen: ihren eigenen Verlust, die Nutzlosigkeit, sie zu haben, die Vormüdigkeit, sie haben zu müssen, um sie zu verlieren, der Kummer, sie gehabt zu haben, die intellektuelle Scham, sie gehabt zu haben, wohl wissend, daß sie ein solches Ende nehmen würden.
    Sich der Unbewußtheit des Lebens bewußt sein ist der älteste Tribut an die Intelligenz. Es gibt unbewußte Formen der Intelligenz – Geistesblitze, Gedankenströme, Mysterien und Philosophien –, die demselben Automatismus gehorchen wie die Reflexe unseres Körpers, wie die Funktionen, die Leber und Nieren mit ihren Sekreten bewirken.

69
    Es regnet stark, stärker, immer stärker … Als würde in dem Dunkel draußen gleich etwas einstürzen …

    Die gesamte unregelmäßige, hügelige Anhäufung der Stadt erscheint mir heute wie eine Ebene, eine Regenebene. Wohin sich mein Blick auch erstreckt, alles ist regenfarben, ein bleiches Schwarz.
    Meine Empfindungen sind seltsam, allesamt kalt. Im Augenblick kommt es mir vor, als sei die eigentliche Landschaft Nebel, als seien die Häuser der Nebel, der sie verhüllt.

    Bei dem Gedanken an das, was ich sein werde, wenn ich nicht mehr bin, befällt mich eine Art Vorneurose wie eine körperliche und seelische Starre. Wie eine Erinnerung an meinen künftigen Tod, die mich innerlich erkalten läßt. Im Nebel meiner Vorahnung fühle ich mich als tote Materie – gefallen im Regen, beweint vom Wind. Und die Kälte dessen, was ich nicht spüren werde, nagt an meinem Herzen, jetzt, so wie es ist.

70
    Auch wenn ich weiter keine Fähigkeit besitze, so doch die Fähigkeit zur ständigen Erneuerung der befreiten Sinneswahrnehmung.
    Als ich heute die Rua Nova do Almada hinunterging, fiel mir mit einem Mal der Rücken eines Mannes auf. Der gewöhnliche Rücken eines gewöhnlichen Mannes, das Jackett eines bescheidenen Anzugs eines zufälligen Passanten vor mir. Er trug eine alte Aktentasche unter dem linken Arm und setzte im Rhythmus seines Gangs einen eingerollten Regenschirm, den er am Griff in der rechten Hand trug, auf den Boden auf.
    Ich empfand plötzlich so etwas wie Zärtlichkeit für diesen Menschen. Eine Zärtlichkeit, wie man sie für die allgemeine menschliche Mittelmäßigkeit empfindet, für das

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