Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Buch der Unruhe des Hilfsbuchhalters Bernardo Soares: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Das Buch der Unruhe des Hilfsbuchhalters Bernardo Soares: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Das Buch der Unruhe des Hilfsbuchhalters Bernardo Soares: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Zenith , Fernando Pessoa
Vom Netzwerk:
kalten Reglosigkeit eines lauen Meeres. Ich spürte das Leben im Magen, und mein Geruchssinn verlagerte sich hinter die Augen. Hoch oben ruhten spärliche Wolken im Nichts, Spiralen in einem Aschgrau, das in falschem Weiß verblich. Ein feiger Himmel bedrohte die Atmosphäre wie ein unhörbarer Donner aus Luft.
    Selbst im Flug der Möwen war Stillstand; sie schienen leichter als die Luft, es war, als hätte sie jemand dort zurückgelassen. Nichts war erstickend. Der Tag verlosch in unserer Unruhe; die Luft kühlte schubweise ab.
    Meine armseligen Hoffnungen, geboren aus dem Leben, das ich gezwungen war zu leben! Sie sind wie diese Stunde und diese Luft, Nebel ohne Nebel, ein Sturm im Wasserglas. Ich möchte schreien, Schluß machen mit dieser Landschaft und diesem Grübeln. Doch selbst in meiner Absicht ist das Meer mit seinem Geruch, und die Ebbe in mir hat die modrige Schwärze draußen freigelegt, die ich nur sehe, weil ich sie rieche.
    Welche Inkonsequenz, mir selbst genügen zu wollen! Welch sarkastisches Bewußtsein vermeintlicher Empfindungen! Welche Verstrickung der Seele mit den Empfindungen, der Gedanken mit der Luft und dem Fluß, nur um zu sagen, daß mich das Leben in meinem Geruchssinn und meinem Bewußtsein schmerzt, um es nicht sagen zu können wie mit dem einfachen, umfassenden Satz aus dem Buch Hiob: »Meine Seele ist meines Lebens überdrüssig!«

80
    Schmerzhaftes Intervall
    Alles ermüdet mich, selbst was mich nicht ermüdet. Meine Freude ist so schmerzhaft wie mein Schmerz.

    Könnte ich doch nur Kind sein, Papierschiffchen auf den Teich eines Landgutes setzen, mit einer bäuerlichen Weinlaube, deren Flechtwerk ein Schachbrettmuster aus Licht und grünen Schatten auf die dunklen Reflexe des seichten Wassers zeichnet.

    Zwischen mir und dem Leben ist eine dünne Glasscheibe. So deutlich ich das Leben auch erkenne und verstehe, berühren kann ich es nicht.

    Über meine Traurigkeit nachsinnen? Wozu, wenn doch Nachsinnen Anstrengung bedeutet? Und wer traurig ist, kann sich nicht anstrengen.
    Ich verzichte nicht einmal auf die Gesten des tagtäglichen Lebens, auf die ich nur zu gerne verzichten würde. Verzichten ist anstrengend, und ich besitze nicht die Seelenstärke, mich anzustrengen.

    Wie oft schmerzt es mich, nicht der Fahrer dieses Wagens, nicht der Führer jenes Zuges zu sein!, kein gewöhnlicher vermeintlich Anderer, dessen Leben, weil es nicht meines ist, mich Kraft meines Willens wonnig durchdringt, durchdringt [?] mit Anderssein!
    Ich fände das Leben dann nicht so entsetzlich wie eine Sache. Die Vorstellung vom Leben als ein Ganzes würde mir nicht die Schultern meines Denkens niederdrücken.
    Meine Träume sind eine so unsinnige Zuflucht wie ein Regenschirm, wenn es Blitze hagelt. Ich bin so träge, so bedauernswert, so arm an Gesten, so schwach im Handeln.

    Sosehr ich auch in mich dringe, all meine Traumpfade führen zu Lichtungen der Angst.

    Selbst ich, der ich viel träume, kenne Zeiten, in denen der Traum mich flieht. Dann erscheinen mir die Dinge deutlich. Der Nebel, in den ich mich hülle, löst sich. Und alle sichtbaren Ecken und Kanten verletzen das Fleisch meiner Seele. Alles wahrnehmbar Harte schmerzt mich, denn ich erkenne es als hart. Alles sichtbare Gewicht der Dinge lastet in meiner Seele.

    Mein Leben ist, als würde man mich mit ihm schlagen.

81
    Auf der Straße knarren Fuhrwerke vorüber – vereinzelte Geräusche, langsam, im Einklang, scheint es, mit meiner Schläfrigkeit. Es ist Mittagszeit, aber ich bin im Büro geblieben. Der Tag ist lau und leicht verhangen. In seinen Stimmen finde ich, aus irgendeinem Grund, er mag mit meiner Schläfrigkeit zu tun haben, alles aus diesem Tag wieder.

82
    Ich weiß nicht, welch vage Liebkosung – je weniger sie liebkost, um so sanfter ist sie – mir die unstete Brise des Abends an Stirn und Verständnis fächelt. Ich weiß nur, daß mir der Überdruß, unter dem ich leide, für einen Augenblick besser paßt als ein Kleidungsstück, das nicht länger auf einer Wunde scheuert.
    Armselige Sensibilität, die von einer leichten Luftbewegung abhängt, um – wenn auch nur vorübergehend – Ruhe zu finden! Aber so ist es mit der Sensibilität der Menschen, und ich glaube nicht, daß unvermittelt gewonnenes Geld oder ein unerwartet geschenktes Lächeln für die Menschen mehr Gewicht haben, sie bedeuten anderen das, was mir just in diesem Augenblick eine flüchtige Brise bedeutet.
    Ich kann ans Schlafen denken. Kann vom

Weitere Kostenlose Bücher