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Das Buch der Unruhe des Hilfsbuchhalters Bernardo Soares: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Das Buch der Unruhe des Hilfsbuchhalters Bernardo Soares: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Das Buch der Unruhe des Hilfsbuchhalters Bernardo Soares: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Zenith , Fernando Pessoa
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Träumen träumen. Sehe die Objektivität aller Dinge klarer. Mache mir mein Gefühl für das Äußere des Lebens entspannter zunutze. Und das nur, weil sich die Brise kurz vor der Straßenecke drehte und mir jetzt heiter über die Haut streicht.
    Alles, was wir lieben oder verlieren – Dinge, Wesen, Bedeutungen –, streift unsere Haut und gelangt so in unsere Seele, und dieses Geschehen ist in Gott nur die Brise, die mir eine vermeintliche Erleichterung bringt, einen günstigen Augenblick und die Kraft, alles mit Bravour verlieren zu können.

83
    Wirbel, Strudel in der fließenden Flüchtigkeit des Lebens! Auf dem großen Platz im Zentrum der Stadt strömt das Wasser der Menge in mäßiger Buntheit dahin, beschreibt Kurven, bildet Lachen, öffnet sich zu Bächen, vereinigt sich zu Flüssen. Meine Augen nehmen zerstreut wahr, und ich entwerfe in mir dieses aquatische Bild, das, besser als jedes andere, zumal ich dachte, es würde bald regnen, dieser unbestimmten Bewegungen entspricht.
    Beim Schreiben dieses letzten Satzes, der für mich genau das besagt, was er beschreibt, dachte ich, es wäre nützlich, an das Ende meines Buches, sofern es veröffentlicht wird, unter die »Errata« einige »Non-Errata« zu setzen, nämlich: Der Satz »dieser unbestimmten Bewegungen« auf Seite soundso mit dem Pronomen und Adjektiv im Singular und dem Substantiv im Plural ist, wie er dasteht, richtig. Aber was hat das mit dem zu tun, was ich dachte? Nichts, und deshalb denke ich es nicht mehr.
    Um die Mitten [sic] des Platzes knirschen und bimmeln die Elektrischen wie große, gelbe Streichholzschachteln auf Rädern, in die ein Kind ein abgebranntes Streichholz schräg als Mast gesteckt hat; sie setzen sich mit lautem metallischem Pfeifen in Bewegung. Rings um die Statue in der Mitte nehmen sich die Tauben wie schwarze Brosamen aus, wirbeln durcheinander, als sei ein Windstoß zwischen sie gefahren. Dicke Geschöpfe auf kleinen Trippelfüßen.
    Und Schatten sind sie, Schatten …

    Von nahem betrachtet sind alle Menschen auf eintönige Weise verschieden. Vieira sagte, Frei Luis de Sousa habe dies mit »das Gewöhnliche in seiner Einzigartigkeit« beschrieben. Diese Menschen hier sind einzigartig in ihrer Gewöhnlichkeit, im Gegensatz zum Stil von Das Leben des Erzbischofs [16]   . All das betrübt mich, und doch ist es mir gleichgültig. Ich bin hier, zufällig, wie alles im Leben.
    Im Osten erhebt sich die Stadt, nur zum Teil sichtbar, fast senkrecht und erstürmt statisch das Kastell. Die bleiche Sonne umflort die unerwartete Häusermasse, die sie hier verbirgt, mit einer verschwommenen Aureole. Der Himmel ist von einem feuchtblassen Blau. Vielleicht regnet es heute wieder, doch sanfter als gestern. Der Wind scheint von Osten her zu kommen, denn mit einem Mal riecht es nach reifem Obst und Grünzeug vom nahen Markt. Auf der Ostseite des Platzes tummeln sich mehr Auswärtige als auf der Westseite. Die Rolläden der Geschäfte fallen wie gedämpfte Schüsse nach oben. Ich weiß nicht warum, aber das Geräusch trägt mir diesen Satz zu. Vielleicht, weil sie dieses Geräusch vor allem beim Nach-unten-Gehen verursachen, jetzt jedenfalls gehen sie nach oben. Alles erklärt sich.
    Mit einem Mal bin ich allein auf der Welt. Ich sehe all dies von der Höhe eines geistigen Daches aus. Ich bin allein auf der Welt. Sehen heißt abseits stehen. Klar sehen heißt stillstehen. Analysieren heißt fremd sein. Die Leute gehen vorüber, nicht die leichteste Berührung. Um mich nur Luft. Ich fühle mich so mutterseelenallein, daß ich den Abstand zwischen mir und meinem Anzug spüre. Ich bin ein Kind, gehe im Nachthemd, ein schlecht angezündetes Licht in der Hand, durch ein großes, verlassenes Haus. Bewohnt von Schatten, die mich umgeben – nur Schatten, Söhne der toten Dinge und des Lichts, das mich begleitet. Selbst hier, in der Sonne, umgeben mich diese Schatten, doch sind sie Menschen.

84
    Ich habe heute in einer Pause vom Fühlen über die Form meiner Prosa nachgedacht. Wie schreibe ich eigentlich? Ich hatte wie so viele den unerhörten Wunsch, eine eigene Methode und eigene Normen haben zu wollen. Gewiß, ich habe geschrieben, noch ehe ich das eine oder andere hatte; darin aber unterscheide ich mich nicht von anderen.
    Bei meiner nachmittäglichen Selbstanalyse stellte ich fest, daß mein Stil auf zwei Grundsätzen beruht, und habe diese beiden Grundsätze sofort und nach bester Klassikermanier zu allgemeingültigen Fundamenten für

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