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Das Buch der Unruhe des Hilfsbuchhalters Bernardo Soares: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Das Buch der Unruhe des Hilfsbuchhalters Bernardo Soares: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Das Buch der Unruhe des Hilfsbuchhalters Bernardo Soares: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Zenith , Fernando Pessoa
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nicht sozialer Impulse, durch die und dank derer sie aufeinanderprallen wie nur weniges.
    Wie oft habe ich nicht Menschen diesen immergleichen Satz sagen hören, der all das Absurde, all die Nichtigkeit und all die verbale Unwissenheit ihrer Leben symbolisiert. Ein Satz, den sie stets in Verbindung mit einem materiellen Vergnügen äußern: »Das also nimmt man dann mit vom Leben …« Nimmt man mit von wo? Wohin? Wozu? Es wäre betrüblich, sie mit einer solchen Frage aus ihrem Dämmerzustand aufzuwecken … So kann nur ein Materialist sprechen, denn jeder, der so spricht, ist, wenn auch unterbewußt, ein Materialist. Was denkt er denn vom Leben mitzunehmen und wie? Wohin will er denn mit seinen Schweinekoteletts, seinem Rotwein und seiner kleinen Zufallsbekanntschaft? In welchen Himmel, an den er nicht glaubt? In welche Erde, der er nichts als die Fäulnis bringt, aus der sein ganzes Leben latent bestand? Ich kenne keinen Satz, der tragischer wäre oder mehr über die menschliche Menschheit verriete. Solches sagten die Pflanzen, könnten sie wissen, daß sie die Sonne genießen. Solches sagten die Tiere von ihren nachtwandlerischen Vergnügen, könnten sie sprechen wie der Mensch. Und wer weiß, ob nicht auch ich, während ich diese Worte hier mit dem vagen Gefühl schreibe, sie könnten überdauern, ob nicht auch ich meine, die Erinnerung, sie geschrieben zu haben, sei etwas, das ich »mitnehme vom Leben«. Und wie der nutzlose Leichnam des gewöhnlichen Menschen der allgemeinen Erde anheimfällt, so fällt auch der ebenfalls nutzlose Leichnam meiner Prosa, geschrieben, um gelesen zu werden, dem allgemeinen Vergessen anheim. Die Schweinekoteletts, der Wein, die Freundin eines anderen? Wer bin ich, daß ich mich darüber lustig mache?
    Brüder in unserer Unwissenheit, verschieden und doch von gleichem Blut, von unterschiedlicher Gestalt und doch gleichermaßen ererbt – wer von uns kann den anderen verleugnen? Man kann seine Frau verleugnen, nicht aber die Mutter, nicht den Vater und nicht den Bruder.

151
    Langsam bewegt der Wind in der langsamen Mondnacht Dinge, die mit ihrer Bewegung Schatten bewegen. Vielleicht ist es nur die Wäsche auf der Leine im Stockwerk über mir, doch der Schatten weiß nichts von Hemden und flattert nicht faßbar in stummem Einklang mit allem.
    Ich habe die Fensterläden offengelassen, um früh aufzuwachen, habe mich aber bislang – und die Nacht ist schon so alt, daß sie keinen Laut mehr vernehmen läßt – weder dem Schlaf hingeben noch wirklich wach halten können. Hinter den Schatten meines Zimmers scheint der Mond, aber sein Licht fällt nicht durchs Fenster. Es existiert wie ein Tag nichtigen Silbers, und die Dächer des Gebäudes gegenüber, das ich vom Bett aus sehen kann, flimmern in schwärzlichem Weiß. Wie ein ungehört verhallter Gruß aus der Höhe liegt ein trauriger Friede im harten Licht des Mondes.
    Ohne zu sehen, ohne zu denken, mit bereits geschlossenen Augen über dem ausbleibenden Schlaf, sinne ich, mit welch wahren Worten man den Mondschein beschreiben könnte. Die Alten würden sagen, sein Licht ist weiß oder silbern. Doch das trügerische Weiß des Mondlichts besteht aus vielen Farben. Stünde ich auf aus meinem Bett und sähe durch die kalten Fensterscheiben, schiene oben, in einsamer Höhe, ich weiß es genau, ein aschfarben, bläulichweißer, mattgelber Mond, der über den vielfältigen, unterschiedlich dunklen Dächern die sich fügenden Häuser bald schwarzweiß vergoldet, bald das Rotbraun der höchsten Ziegeldächer mit einer farblosen Farbe überzieht. Unten auf der Straße, dem friedlichen Abgrund mit seinen nackten, ungleichmäßig gewölbten Pflastersteinen, hat das Mondlicht keine Farbe, nur ein Blau, das vielleicht vom Aschgrau der Steine kommt. In den Tiefen des Horizonts dürfte es fast dunkelblau sein, anders als das Schwarzblau des Himmels in seinem Zenit. Auf die Fensterscheiben trifft es schwarzgelb.
    Hier von meinem Bett aus, wenn ich die Augen öffne, Augen übermannt vom Schlaf, der mich flieht, ist das Mondlicht Farbe gewordene Schneeluft, in der laue, perlmuttfarbene Fasern treiben. Und wenn ich mit dem denke, was ich fühle, ist es ein Überdruß, ein weißer Schatten, der sich verdunkelt, als schlössen sich Augen über diesem unbestimmten Weiß.

152
    Ich staune stets, wenn ich etwas zu Ende bringe. Ich staune und bin deprimiert. Mein Sinn für Vollkommenheit müßte mir jedes Zuendebringen verbieten; er müßte mir sogar

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