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Das Buch der Unruhe des Hilfsbuchhalters Bernardo Soares: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Das Buch der Unruhe des Hilfsbuchhalters Bernardo Soares: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Das Buch der Unruhe des Hilfsbuchhalters Bernardo Soares: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Zenith , Fernando Pessoa
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Halbbedeutungen, Ausdrucksfetzen verbleiben mir wie die Farben nicht gesehener Stoffe, harmonische Ausstellungsstücke, zusammengestellt aus mir unbekannten Objekten. Ich schreibe und wiege mich in den Schlaf, wie eine über den Tod ihres Kindes irre gewordene Mutter.
    Eines Tages, wann genau, weiß ich nicht, fand ich mich in dieser Welt; bis dahin hatte ich von Geburt an augenscheinlich fühllos gelebt. Wenn ich fragte, wo ich mich befände, führten mich alle in die Irre, und jeder widersprach dem anderen. Wenn ich fragte, was ich tun solle, waren alle unaufrichtig, und jeder sagte etwas anderes. Wenn ich unschlüssig stehenblieb, waren alle verwundert, daß ich den Weg, von dem keiner wußte, wohin er führte, nicht weiterging oder aber nicht umkehrte – ich, der ich, am Kreuzweg aufgewacht, nicht wußte, woher ich kam. Ich sah, daß ich auf der Bühne stand und die Rolle nicht beherrschte, die alle anderen sogleich aufsagten, ohne sie deshalb besser zu kennen. Ich sah, daß ich als Page gekleidet war, doch die Königin enthielt man mir vor und gab mir die Schuld. Ich sah, daß ich in meinen Händen eine Botschaft hielt, die es zu übermitteln galt, und als ich ihnen sagte, das Blatt sei unbeschrieben, lachten sie mich aus. Und noch immer weiß ich nicht, ob sie lachten, weil alle Blätter unbeschrieben sind oder alle Botschaften erraten werden müssen.
    Zu guter Letzt setzte ich mich auf den Stein am Kreuzweg wie an den Herd, den ich nie hatte. Und allein mit mir, begann ich, Papierschiffchen aus der Lüge zu falten, die man mir aufgetischt hatte. Niemand wollte an mich glauben, nicht einmal als Lügner, und kein See war da, um meine Glaubwürdigkeit unter Beweis zu stellen.
    Müßige, verlorene Worte, wahllose Metaphern, die eine unbestimmte Angst schattenhaft verknüpft … Spuren besserer Stunden, verbracht, ich weiß nicht auf welchen Alleen … Lampe, deren Gold im Dunkel glänzt, in der Erinnerung an das erloschene Licht … Worte, nicht in den Wind geredet, sondern in den Boden, kraftlosen Fingern entglitten, wie die welken Blätter eines unsichtbar unendlichen Baums … Sehnsucht nach den Teichen ferner Güter … Zärtlichkeit für nie Geschehenes …
    Leben! Leben! Und zumindest die Frage, ob es sich vielleicht nicht doch gut schlafen ließe auf Proserpinas Lager …

156
    Welch gebieterische Königin wahrt nahe ihren Seen die Erinnerung an mein zerbrochenes Leben? Ich war der Page von Alleen, die den beflügelten Stunden meiner blauen Ruhe nicht reichten. Ferne Karavellen vervollständigten das Meer, das von meinen Terrassen wogte, und in den Wolken des Südens verlor ich meine Seele wie ein entglittenes Ruder.

157
    In mir selbst einen Staat gründen, mit Politik, Parteien und Revolutionen, und dies alles selbst sein, Gott im wirklichen Pantheismus dieses Ich-Volkes, Wesen und Handeln seiner Körper, seiner Seelen, des Bodens, auf dem sie stehen, und das sein, was sie tun. Alles sein, sie sein und nicht sie sein. Weh mir, noch einer dieser Träume, die ich nicht zu verwirklichen vermag. Wenn ich ihn verwirklichen könnte, würde ich womöglich sterben, ich weiß nicht warum, aber nach etwas Derartigem kann man wohl kaum weiterleben, so groß ist das gegen Gott begangene Sakrileg, so groß die Usurpation der göttlichen Macht, alles zu sein.
    Welch einen Genuß bedeutete es für mich, eine jesuitische Kasuistik der Empfindungen zu erschaffen!
    Manche Metaphern sind wirklicher als die Menschen in den Straßen. Manche in Büchern verborgene Illustrationen leben sichtbarer als viele Männer und viele Frauen. Manche literarische Sätze besitzen ganz und gar menschliche Individualität. In meinen Schriften lassen mich manche Passagen vor Entsetzen erstarren, so deutlich empfinde ich sie als Wesen, so scharf abgehoben gegen die Wände meines Zimmers, bei Nacht, im Schatten … Ich habe Sätze geschrieben, deren Klang, wenn man sie laut oder leise liest – und man kann ihren Klang unmöglich verbergen –, gänzlich von etwas herrührt, das absolute Äußerlichkeit und vollständig Seele gewonnen hat.
    Warum entwickle ich bisweilen widersprüchliche, unvereinbare Methoden des Träumens und Träumenlernens? Weil ich mich wahrscheinlich so sehr daran gewöhnt habe, das Falsche als das Wahre wahrzunehmen und das Geträumte so deutlich wie das Gesehene, daß ich die, wie ich meine, falsche menschliche Unterscheidungsfähigkeit zwischen Wahrheit und Lüge eingebüßt habe.
    Es genügt, daß ich klar

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