Das Buch der Vampire 01 - Bleicher Morgen
nachtat.
Es gab da noch ein paar andere Dinge, die er ihr zu sagen
hatte, aber sie würden warten müssen. Obwohl Victoria versucht hatte, es zu verbergen, hatte er ihre Tränen gesehen.
Kapitel 28
In welchem Eustacia ein Geständnis ablegt
Wir sahen, wie die schwarze Kuppel einstürzte«, erzählte Kritanu, nachdem sie in Eustacias Haus zurückgekehrt waren. »Da wurde uns klar, dass in diesem Teil des Gebäudes etwas vor sich ging. Und dann quoll all dieser Rauch aus dem Dach.« Er zuckte mit den Schultern. »Spätestens da wussten wir Bescheid.«
»Ihr hättet zu keinem besseren Zeitpunkt auftauchen können«, lobte Max.
Victoria musterte die hässlichen roten Striemen an seinem Hals. Die Blutung hatte aufgehört, und Victoria war während ihrer Rückfahrt nach London in den Genuss gekommen, gesalzenes Weihwasser auf seinen Biss träufeln zu dürfen. Sie hatte seit ihrer Flucht aus Liliths Versteck nur wenig gesprochen, und so fiel es Max zu, zu erklären, was er konnte.
»Venatoren verrichten heilige Arbeit«, bemerkte Eustacia von ihrem Sessel aus. »Die wundersamsten Dinge geschehen, während wir das Böse bekämpfen.«
Wundersam? Victoria schloss die Augen. Sie konnte die Erinnerung an Phillips Gesicht nicht aus ihrem Gedächtnis tilgen,
diese tiefe Begierde, sein Flehen, den Schwung seiner Lippen und das Profil seiner Nase. Dieses geliebte Gesicht, das zu einer verzweifelten, leeren Maske geworden war.
Du kannst ihn nicht retten .
Max’ zornige Worte hallten in ihrem Kopf wider. Sie hatte ihn nicht retten können, das stimmte. Stattdessen hatte sie ihn in die Verdammung geschickt.
»Das Buch wurde zerstört?« Eustacias Frage brachte Victoria in die Gegenwart zurück, und als sie aufsah, stellte sie fest, dass alle Blicke auf sie gerichtet waren.
»Ich hatte nie vor, es ihr zu geben.« Sie schaute Max an.
Er neigte bestätigend den Kopf, blieb jedoch stumm. Seit sie von dem Dach geklettert waren und von der Kutsche aus beobachtet hatten, wie das Gebäude herunterbrannte, war er ungewöhnlich freundlich zu ihr gewesen. Liliths Schlupfwinkel war vernichtet, aber es gab keinen Grund zu der Annahme, dass dasselbe auch für sie galt. Oder für Phillip.
Es würde in der Zukunft weitere Schlachten geben. Lilith würde neue Macht erlangen, und sie mussten ihr wieder entgegentreten.
Und wie Eustacia schon prophezeit hatte, Lilith würde niemals Victorias Rolle bei ihrer Niederlage vergessen.
»Wisst ihr, was mit Sebastian geschehen ist?«, fragte sie plötzlich und blickte Max an.
»Nein. Ich vermute, er ist entweder in dem Feuer umgekommen oder wurde von den Imperialvampiren getötet. Ich denke, er hätte das einer Begegnung mit Lilith vorgezogen.«
Ihr entging nicht, mit welcher Verachtung er den Namen aussprach, und sie konnte ihm das nicht verdenken. Sie hatte
Liliths Macht und die unerbittliche Verlockung, die eine solche Vampirfestung ausübte, am eigenen Leib erfahren. Vielleicht war der Tod besser, als die Kontrolle über seine eigenen Handlungen und Begierden zu verlieren.
Aber nicht für sie.
»Tante Eustacia, kann ich unter vier Augen mit dir sprechen?«
»Ich habe schon erwartet, dass du mich darum bittest.«
Als sie dann allein waren, ergriff ihre Tante noch vor ihr das Wort. »Ich kann dir gar nicht sagen, wie leid es mir um Phillip tut, Victoria.« In ihren pechschwarzen Augen lagen Trauer und Reue, als sie mit weichen, knotigen Händen nach denen ihrer Nichte griff. »Wenn ich geahnt hätte...«
»Aber das hast du nicht, das konntest du nicht. Du und Max, ihr beide habt versucht, mich davon abzubringen.« Victoria drückte die Finger ihrer Tante und blinzelte die Tränen weg. »Gibt es denn gar nichts, was getan werden kann, um ihn zu retten?«
Eustacia schüttelte den Kopf. »Sobald ein Vampir von einem Sterblichen getrunken hat, ist er für alle Ewigkeit verdammt. Vielleicht können Gebete oder ein großes Opfer seine Seele retten, aber dafür gibt es keine Gewähr.«
Victoria schloss die Augen. »Meine Selbstsucht hat das verschuldet. Ich hätte ihn niemals heiraten dürfen. Ich habe ihn geliebt, aber ich hätte ihn genug lieben müssen, um ihn freizugeben.« Sie hob das Gesicht und wischte die Tränen fort. »Er sagte einmal, dass es sein Schicksal sei, mich zu lieben - ob wir nun zusammen wären oder nicht. Jetzt kann er noch nicht einmal mehr das tun.«
»Es ist schwer, Victoria, das weiß ich. Es ist schlimmer als alles,
was du dir je hättest vorstellen können. Aber
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