Das Buch der Vampire 01 - Bleicher Morgen
»Es ist Zeit, Victoria! Komm, nun komm schon!«
»Du siehst bezaubernd aus! Wirklich atemberaubend!«, schwärmte Petronilla. Sie betrachtete sich selbst aus ihrer Position hinter Victoria im Spiegel und machte sich an einer ihrer eigenen starren Locken zu schaffen.
»Rockley ist unten«, frohlockte Winifred und rumpelte gegen Victorias Ellbogen, als sie sich an ihr vorbeidrängte, um nach einer papierweißen Knoblauchzehe zu greifen, die inmitten der Schmuckstücke, Duftfläschchen und verzierten Kämme lag. »Was um alles in der Welt ist das?« Sie richtete sich auf, um sie dicht vor ihren Kneifer zu halten, als wollte sie sich überzeugen, dass es sich tatsächlich um Knoblauch handelte.
Victoria sah Eustacia im Spiegel an, dann zwang sie sich zu einem Lächeln und beugte sich verschwörerisch zu Winifred und Petronilla. »Tante Eustacia hat ihn mir mitgebracht«, erklärte sie mit gedämpfter Stimme. »Sie behauptet, dass er mich vor Vampiren schützen wird.«
Sie zwinkerte, dann warf sie mit übertriebener Geste einen Blick über ihre Schulter, wie um sich zu vergewissern, dass ihre Großtante nicht zuhörte, bevor sie Winifred den Knoblauch aus der Hand nahm. »Ich werde ihn einfach hierlassen.«
Die Augen vor unterdrückter Belustigung geweitet, nickten Petronilla und Winifred, dann musterten sie Eustacia amüsiert. Victoria war die Einzige, die sah, dass die alte Dame ihr zuzwinkerte.
»Ich kann es gar nicht erwarten, dich Rockley vorzustellen!«, plapperte Lady Winnie, als sie nacheinander das Zimmer verließen. »Er hat in der letzten Woche mehr als einmal mit Lady Gwendolyn Starcasset getanzt, aber schließlich hat er ja auch unsere bildschöne Debütantin noch nicht kennen gelernt! Wäre es nicht ein gelungener Streich, wenn du ihn ihr vor der Nase wegschnappen würdest?«
Am Absatz der langen, gewundenen Treppe blieb Victoria au ßer Sichtweite der Ballgäste unter ihr stehen. Es war der Traum einer jeden Hausherrin, ein solches Fest zu geben; die Damen Melisande, Petronilla und Winifred mussten entzückt sein von der Vielzahl der Menschen, die sich im Haus der Grantworths drängten.Ungeachtet der Tatsache,dass eigentlich Melly Victorias Mutter war, hatten die anderen beiden darauf bestanden, ihr Debüt mit auszurichten; und dank Winifreds Reputation als Herzogin von Farnham war für eine illustre Gästeschar gesorgt.
Victoria blieb allein zurück und wartete ebenso nervös wie gespannt darauf, angekündigt zu werden. Dieser Abend war mehr als ihre Einführung in die Gesellschaft, er war auch ihr Debüt als jüngste Vampirjägerin der uralten Gardella-Familie. Daher hatte sie nicht nur die Pflicht, die reichen, gut aussehenden
Junggesellen zu bezaubern und das Interesse der feinen Gesellschaft zu wecken, es musste ihr außerdem irgendwie gelingen, ihren ersten Vampir zu finden und zu pfählen. Hier. Inmitten ihres Debüts.
»Bitte begrüßen Sie mit mir… Miss Victoria Anastasia Gardella Bellissima Grantworth.«
Victoria begann langsam und würdevoll die Treppe hinunterzuschreiten, wobei sie ihre behandschuhte Linke über das glatte Holzgeländer gleiten ließ.
Sie nahm sich die Zeit, in der Menge ihr zugewandter Gesichter nach solchen Ausschau zu halten, die sie kannte... und nach einem, das nicht hierhergehörte. Tante Eustacia hatte ihr versichert, dass sie als Teil ihres Vampirjäger-Erbes, als Venator, über einen angeborenen Instinkt verfügte. Daher würde sie die Präsenz eines Vampirs, selbst wenn er menschliche Gestalt angenommen hatte, spüren können.
Als sie sich dem Fuß der Treppe näherte, fühlte sie es: einen kalten Hauch in ihrem Nacken - eine Brise, ein Frösteln, obwohl die Luft durch nichts bewegt wurde. Unfähig, ihre Reaktion zu kontrollieren, drehte sie rasch den Kopf, um über ihre linke Schulter zu schauen, hinter die Treppe und in den Schatten, wo ein paar Gäste standen und sie beobachteten.
Dann war sie am unteren Ende der Treppe angelangt, wo ihre Mutter die Hand in Victorias Ellbogenbeuge gleiten ließ, um sie zu einem Grüppchen vornehmer Damen und Herren zu führen, damit sie sie begrüßte: die Respekt einflößende Lady Jersey, den Herzog und die Herzogin von Sliverton, den Grafen und die Gräfin von Wenthwren sowie ein paar weitere, deren Namen ihr vage vertraut waren. Victoria machte ihrer freudestrahlenden
Mutter alle Ehre. Sie knickste, sie lächelte und erlaubte, dass man ihr die Hand küsste, während sie sich gleichzeitig mit allen Sinnen auf
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