Das Buch der Vampire 03 - Blutrote Dämmerung
verfolgen, stattdessen nickte er kurz, bevor er dann einen Satz sagte, von dem er sich niemals hätte vorstellen können, dass er ihn Vioget gegenüber aussprechen würde: »Ich werde Ihnen folgen.«
Sebastian knirschte mit den Zähnen. »Ja, mir ist absolut klar, dass Beauregard uns erwarten wird.« Obwohl er ein Mensch war, der Gewalt verachtete, konnte er sich durchaus vorstellen, diese Prämisse für einen Moment zu vergessen und seine Faust in … irgendetwas zu rammen.
Doch dazu hätte er stehen bleiben und kostbare Zeit vergeuden müssen, die er nicht hatte. Nein, sie hatten keine Zeit. Überhaupt keine Zeit. Zum Glück waren sie schon fast an dem Haus angelangt, in dem er und Beauregard in unterschiedlichen Etagen wohnten, während er den anderen vier Männern, die im Laufschritt neben ihm hereilten, noch immer die Situation erklärte.
Es war nun etwa eine Stunde her, seit er am frühen Morgen aus dem unterirdischen Versteck getorkelt war. Die Sonne stand mittlerweile hoch genug am Himmel, dass die Untoten sich in die Sicherheit der Kellergewölbe zurückgezogen
haben würden, um zu schlafen oder sich anderweitig zu beschäftigen. Er und seine Begleiter hatten sich von einer entsetzlich langsamen Kutsche in der Nähe ihres Ziels absetzen lassen, dabei jedoch genügend Abstand gewahrt, um von jenen, die aus dunklen Gebäuden oder unterirdischen Schlupflöchern die Residenz ihres Herrn bewachten, nicht gesehen zu werden. Sebastian wusste, wie er sich unbemerkt an das Haus heranpirschen konnte, doch leider konnte er das nur zu Fuß tun.
Zu langsam. Sie kamen zu langsam voran.
»Also können wir uns nicht alle zusammen hineinschleichen.« In Pesaros Stimme schwang ein scharfer Unterton mit - was zwar oft der Fall war, trotzdem klang sie heute irgendwie anders. Irgendetwas stimmte nicht mit ihm.
Sebastians Finger zuckten. »Genau das wollte ich gerade sagen, bevor Sie mich unterbrachen.« Er wandte sich von dem kaltblütigen Mistkerl ab und richtete den Blick auf die drei anderen Venatoren, die zu Victorias Rettung gekommen waren. Eine Sekunde lang drohte ihn das Entsetzen über das, was ihr vielleicht zustoßen würde, zu übermannen.
Was ihr vielleicht gerade zustieß.
Oder ihr bereits zugestoßen war.
Wie lange war er inzwischen fort gewesen?
Zu lange.
Lange genug.
Sebastian riss sich zusammen und richtete seine ganze Konzentration wieder auf ihren Fußmarsch, der sie über verschiedene Hinterhöfe und zwischen dicht stehenden Häusern hindurchführte. Indem er seinen Fokus verlor, würde er ihr nicht helfen können, ganz gleich was inzwischen geschehen war.
Mochte Gott verhüten, dass etwas geschehen war.
Wie lange? Wie lange würde Beauregard mit ihr spielen, sie küssen und berühren, bevor er sie sein Blut trinken ließ?
Sebastians Magen krampfte sich zusammen. Wenn das geschah, gäbe es keine Hoffnung mehr.
Er knirschte wieder mit den Zähnen, versuchte, die lähmende Angst von sich zu schieben, damit er wieder klar denken konnte. Er musste sich darauf besinnen, was sie zu tun hatten.
Wie sie sie retten könnten.
Bei zweien der Männer, die auserwählt worden waren, ihn zu begleiten, hatte er die Namen vergessen, denn es war alles so schnell gegangen. Doch der dritte war Michalas. Er war dem klugen, drahtigen, scharfäugigen Venator vor vielen Jahren schon einmal kurz begegnet.
»Es gibt zwei Eingänge zu Beauregards Unterschlupf«, informierte Sebastian sie leise, während sie sich gegen die Mauer duckten, die den Hinterhof seines Hauses umgab - jenen Hinterhof, in den Victoria letzten Herbst während ihrer Flucht aus einem Fenster im dritten Stock gesprungen war.
Die Erinnerung drohte wieder, ihn zu übermannen, doch er bekam sich noch rechtzeitig unter Kontrolle. »Und dann ist da noch eine dritte Tür, von der nur ich weiß. Und natürlich Beauregard.«
»Er wird damit rechnen, dass Sie sie benützen.«
»Deshalb müssen wir zwei Gruppen bilden. Die eine wird ein Ablenkungsmanöver inszenieren, um die Untoten, die ihn bewachen und ihm dienen, herauszulocken.«
»Von wie vielen Untoten sprechen wir genau?«
»Zehn oder ein paar mehr.Vielleicht ein Dutzend - meinen
Sie, dass Sie sich darum kümmern könnten, Pesaro? Wie ich gehört habe, nehmen Sie es problemlos mit einem Dutzend Vampire auf.«
Eine Sekunde lang dachte Sebastian, dass Pesaro ihn schlagen würde, doch stattdessen antwortete er mit diesem typischen knappen, stolzen Nicken.
Nun meldete sich Michalas das erste Mal
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