Das Buch der Vampire 03 - Blutrote Dämmerung
überwältigt, dass er für einen Moment nicht sprechen konnte. Das hier konnte einfach nicht real sein. »Warum?«, fragte er schließlich, seine Stimme leise und brüchig. »Warum bloß?«
»Ich konnte deine Zerrissenheit bezüglich deiner Loyalitäten nicht länger hinnehmen, Sebastian. Aber nun stellt sich diese Frage nicht länger, habe ich Recht?«
Sebastian starrte ihn an, während um ihn herum seine ganze Welt in sich zusammenbrach und er von einem eisigen, peitschenden Sturm an den Rand eines Abgrunds getrieben wurde. »Victoria!«, rief er und sah ihr in die Augen, während er die beiden Untoten, die ihn festhielten, vergeblich mit Tritten bearbeitete. Wenn er nur ihre Aufmerksamkeit erringen und sie aus der Tiefe ihrer Hypnose holen könnte … »Victoria, sieh mich an!«
»Du brauchst keine Angst zu haben. Sie wird noch immer so anschmiegsam sein wie zuvor. Nur, dass sie sich nie mehr verändern wird. In ein paar Jahrzehnten wirst du mir dankbar sein. Wenn du auf mich gehört hättest -«
»Nein!«
Als sie sich nun bewegte und ihr anderer Arm sichtbar
wurde, fiel sein Blick auf das Kupferband, das in ihr Handgelenk schnitt, und er begriff, dass sie auf diese Weise in Beauregards Bann geraten war. So musste es sein. Sie war viel zu stark. »Victoria.« Die Verzweiflung drohte ihn zu übermannen, und seine Stimme war nur noch ein gepeinigtes Wispern.
Ihre Augen waren schläfrig und verführerisch, ihre Wimpern ein dichter Kranz um lavendelfarbene Lider, ihre Pupillen geweitet. Mit zurückgelegtem Kopf lächelte sie wieder zu Beauregard hoch, während sie auf eine unverhohlen verführerische Weise, die überhaupt nicht zu der sonst so stolzen, zurückhaltenden Victoria passte, mit den Fingern über sein Kinn strich.
»Lass sie gehen«, forderte Sebastian seinen Großvater ein weiteres Mal auf und registrierte voller Selbstekel den flehenden Unterton in seiner Stimme. Er zitterte am ganzen Körper. »Lass sie frei.«
»Das werde ich nicht tun.« Der Glanz in Beauregards Augen vertiefte sich, und Sebastian spürte an seinen Schultern das leise Tasten seines Soges. Zum ersten Mal seit langem wurde er sich nun der Macht seines Großvaters und der Gefahr, die von ihm ausging, wieder bewusst.
»Ich habe dich nie zuvor um etwas gebeten, sondern immer nur getan, was du von mir verlangt hast; ich habe dich beschützt: Lass von ihr ab.«
»Es ist zu spät.« Beauregard streckte seine lange, schmale Hand aus und streichelte über Victorias Hals. Als er sie wieder wegzog und an seinen Mund hob, war sie blutbefleckt.
»Sie hat nicht von dir getrunken. Also ist es noch nicht zu spät.« Sebastians Nacken prickelte, und sein Herz pochte übermäßig laut. »Bitte.«
»Aber das wird sie. Sie wird mein Blut trinken. Und dann wirst du glücklich sein, Sebastian, das verspreche ich dir. Vertrau mir einfach.«
Sebastian gelang es, Hugh seinen linken Arm zu entwinden, bevor er beide Vampire überraschte, indem er dem Untoten die Faust ins Gesicht drosch und sich gleich darauf mit einer schnellen Kreiselbewegung auch von dem anderen befreite.
Doch sie stürzten sich mit gebleckten Fangzähnen und glimmenden Augen sofort wieder auf ihn, und Sebastian sackte nach einem brutalen Magenschwinger benommen zu Boden.
»Schafft ihn hier raus«, hörte er Beauregard sagen. Die Stimme drang hohl und wie aus weiter Ferne an sein Ohr, trotzdem versuchte er, seine Konzentration auf das Zimmer zu richten, darauf,Victoria zu retten.
Aber noch bevor ihm das gelang, wurde er schon von kräftigen Händen nach draußen geschleift. Als sich dann die Tür hinter ihm schloss, war das Letzte, was er hörte, das leise, vergnügte Lachen einer Frau.
Kapitel 22
In welchem das denkbar Schlimmste geschieht
A lso wirst du uns nun wieder verlassen«, folgerte Wayren scharfsinnig.
Max nickte, die Hand schon an der Tür ihrer Bibliothek. Er
hatte es nicht ausgesprochen, aber Wayren war keine Närrin. Sie wusste längst Bescheid.
»Jetzt, wo Akvan und sein Obelisk vernichtet sind und du selbst nutzlos geworden bist, siehst du keinen Grund, zu bleiben. Dieses Selbstmitleid steht dir nicht gut zu Gesicht, Max.«
»Selbstmitleid? Darin habe ich in dem Jahr, nachdem mein Vater und meine Schwester gestorben waren, genug gebadet.« Er drehte den Knauf und hörte das leise Klicken, mit dem das Türschloss aufsprang. »Ich mache mir keine Illusionen, was Liliths Zorn anbelangt, sobald sie von meiner … Abtrünnigkeit erfährt. Und ich weiß auch,
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