Das Buch der Vampire 03 - Blutrote Dämmerung
Prolog
In welchem Max der Vampirkönigin gegenübertritt
D ie Höhle der Vampirkönigin lag tief verborgen in den ver schneiten Gebirgszügen der Muntii Fagaras.
Der einzige Grund, warum Maximilian Pesaro sie überhaupt hatte aufspüren können, waren die beiden nicht verheilenden Bisswunden an seinem Hals, die Lilith selbst ihm zugefügt hatte.
Sie brannten und juckten, als er sich dem Höhleneingang näherte. Das Pochen ließ nie ganz nach, aber dennoch gab es Zeiten, in denen er es nur noch ganz schwach spürte, und in denen er beinahe vergessen konnte, dass er für immer an die Vampirkönigin gebunden war.
Sein Nacken fühlte sich an, als würde ein Eisblock auf ihn niederdrücken, doch lag das nicht an dem Winter, der außerhalb der Kaverne herrschte. Die im rumänischen Gebirge viel zu früh einsetzenden und zu lange anhaltenden Stürme und starken Schneefälle, die Max die Sicht nahmen, hatten nichts mit der Kälte zu tun, die ihm den Nacken versengte - nein, es lag daran, dass Vampire in der Nähe waren. Ihm als Venator signalisierte dieses Kälteempfinden die Gegenwart von Untoten.
Hierherzukommen war ebenso töricht wie tollkühn. Max
war zwar noch nie ein törichter Mann gewesen - wenngleich er seine tollkühnen Momente hatte -, aber nach allem, was er in den letzten Monaten durchgemacht hatte, war er bereit, die Konsequenzen dieses Besuchs zu tragen. Vielleicht würde er nun sterben, trotzdem ging er das Risiko ein. Denn ebenso gut konnte er die Höhle als freier Mann verlassen.
Er hatte nur deshalb so tief ins Herz von Liliths Refugium vordringen können, weil er ihr Zeichen trug. Zwar hatte sie ihn damit versklavt, zugleich jedoch mit einem grotesken Schutz gegen die Untoten ausgestattet, die ihr Versteck bewachten.
Max passierte einen weiteren von Liliths Wächtervampiren, die sich durch ihre blassrubinfarbenen Augen und ihre speziellen Fangzähne, die bei Bedarf ein starkes Gift freisetzten, von den anderen Untoten unterschieden. Die Vampirfrau öffnete die schwere Holztür, die zu Liliths Privatkammer führte, dann trat sie zur Seite, um ihn einzulassen.
»Maximilian.« Liliths Stimme war ein Schnurren, und ihre blauen Augen mit den roten Rändern um die Iris funkelten gierig, als sie den Blick über seinen Körper gleiten ließ. »Ich glaube, dies ist das erste Mal, dass du aus eigenem Antrieb zu mir kommst. Was für eine freudige Überraschung.«
Ihr Unterschlupf lag eingelassen in die Tiefen des Berges, so weit wie möglich von der Sonne entfernt, die ihr die Haut vom Körper schälen würde. Ansonsten unterschied sich das Interieur durch nichts von jedem gut eingerichteten Haus in der zivilisierten Welt Londons, Roms oder Budapests. Nur dass es keine Fenster hatte.
Der große, hohe Raum war mit bequemen Sitzmöbeln ausgestattet.
Die Tische, auf denen lose verstreut Pergamentrollen lagen, wurden von Lampen beleuchtet, und die Bänke waren mit gemütlichen Kissen gepolstert. Dicke Perserteppiche bedeckten den kalten Steinboden. An einer Wand hing eine riesige Tapisserie, die die Unsterblichmachung Judas Ischariots, des ersten echten Vampirs, darstellte. Eine weitere zeigte ihn dabei, wie er den Urvater aller Vampirjäger, den Venator Gardeleus, niedermetzelte.
Es war das erste Mal gewesen, dass ein Vampir einen Venator getötet hatte, wenn auch nicht, wie Max nun grimmig dachte, das letzte Mal. Zum Glück hatte es über die Jahrhunderte zahlreiche andere von Gardeleus abstammende Vampirjäger gegeben, die hier und da dem weit verzweigten Familienstammbaum entsprossen. Und dann waren da noch einige wenige wie Max, die kein Gardella-Blut in sich trugen, sondern den Beruf des Venators freiwillig gewählt und sich der Prüfung auf Leben oder Tod unterzogen hatten. Er hatte sie bestanden, und so war ihm die Ehre zuteil geworden, das heilige Stärkeamulett der Vampirjäger zu tragen: die vis bulla .
Trotzdem schützte es ihn nicht davor, von einem Vampir gebissen und selbst in einen verwandelt zu werden, wenngleich die Macht der vis bulla es dem Blut eines Vampirs erschwerte, einen Venator zu infizieren und ihn zu einem Untoten zu machen. Max war schon immer der Überzeugung gewesen, dass Gardeleus’ Schicksal dieser Alternative bei weitem vorzuziehen war.
Es war warm in der Kammer, und die Lampen sorgten für eine schummrige Beleuchtung. In einem Kamin, der sich über eine ganze lange Wand erstreckte, brannte ein großes Feuer, das schwarze und rote Schatten an die Mauern warf.
Lilith
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