Das Buch der Verdammnis (German Edition)
darüber erzählen.“
Eva fing sofort an zu reden, als hätte sie ihre Ausführungen schon Dutzend Male abgespult.
"Bei dieser Figur wurden vor der Einführung monatelange Untersuchungen und Befragungen von Lesern durchgeführt", erklärte sie. "Vielleicht erklärt das, warum der Start der Heftreihe alle unsere Erwartungen übertroffen hat. Dakota Bill ist ein Pathologe, ein Mann, wie er in die heutige Zeit passt. Sehr maskulin und dabei gleichzeitig sensibel und einfühlsam. Um dem gestiegenen Umweltbewusstsein unserer Leserschaft gerecht zu werden, trägt er nur Unterhosen aus biologisch abbaubaren Stoffen. Und das Haargel, das er benutzt, wurde ohne Tierversuche hergestellt."
Ich sah sie nachdenklich an. Welche Ausfälle würde sie wohl haben, nach sagen wir 500 Folgen von Dakota Bill.
Dann lehnte ich mich zurück. An der Wand mir gegenüber hingen Cover-Plakate aus den Heftreihen des Verlags. Sie zeigten Dakota Bill, den Westernheld Frank Cassidy und natürlich auch Hank Lester.
Hank Lester im Kampf mit einem Piratendämon. Ich kannte den Grafiker, der die Bilder zu der Hank-Lester-Reihe entwarf. Er hatte Lester von Anfang an so gezeichnet, wie ich ihn auch immer gesehen hatte. Schon lange hatte ich die Cover nicht mehr bewusst betrachtet. Lester wirkte heute anders auf mich. In seinem Gesichtsausdruck war etwas, das ich zuvor nicht gesehen hatte. Die Augen schienen mich anzusehen und es lag eine Frage in seinem Blick.
Winter unterbrach das Schweigen. "Der Verlag", sagte er. "weiß natürlich deine jahrelange Arbeit zu schätzen. Wir wissen, was für einen Autor wir an dir haben. Wenn du erstmal ein wenig Abstand zu der Sache gewonnen hast, dann kannst du ja wieder einsteigen.“
Meine erste Regung war, jede weitere Zusammenarbeit mit dem Verlag abzulehnen und alles einfach hinzuschmeißen. Aber das war ein Wahnsinn. Was hatte ich denn für Alternativen? Jetzt, wo es Hank Lester nicht mehr geben sollte.
„Ich werd es mir überlegen“, sagte ich.
Winter nickte. Er öffnete seine Tasche und packte sein Buch mit den heiligen Zahlen wieder ein. Dann schaltete er den Laptop aus, klappte ihn zusammen und packte auch ihn in seine Tasche.
„Ich muss leider los, wichtige Besprechung.“
Wir standen alle auf. Im Hinausgehen blickte ich noch einmal auf das Cover von Hank Lester. Es musste am Licht liegen, aber der Gesichtsausdruck von Hank Lester hatte sich geändert. Ein leises Lächeln spielte um seine Lippen. Als ob er sagen wollte, dass es noch nicht vorbei war.
Im Vorzimmer schüttelten wir uns zum Abschied die Hände. Winter schaute mich mit einem Gesichtsausdruck an, der wohl aufmunternd sein sollte. Eva zögerte einen Moment, ich hatte das Gefühl, sie wollte mir etwas sagen, aber dann lächelte sie nur „Bis bald.“.
Als ich auf die Straße trat, blieb ich stehen. Einen Augenblick spielte ich mit dem Gedanken, in die nächste Kneipe zu gehen und mich zu besaufen. Aber dann ging ich einfach nur nach Hause.
Zu Hause saß Gonzo in der Küche und sah fern. Auf dem Schirm war eine umwerfend schöne Pathologin zu sehen, die gerade in den Innereien eines Ermordeten stocherte. Ihr Gesicht wirkte dabei so unbeteiligt, als würde sie einen Salat anmachen.
Gonzo liebte diese Serien, die seit einiger Zeit aus Amerika in unsere Fernsehwelt schwappten und in denen immer schönere Frauen immer ekligere Sachen machten.
„ Hi“, sagte Gonzo.
„ Musst du nicht in die Uni?“ fragte ich.
„ Hab mir heut freigenommen. Hatte keine Lust.“
Sein Blick hing immer noch an der Pathologin. Die beugte sich leicht vor. Sie trug eine Bluse mit weitem Ausschnitt und der Ansatz ihrer umwerfenden Brüste war zu sehen. Gonzo starrte mit großen Augen auf den Schirm.
"Wahrscheinlich kriegt der Tote gleich einen Steifen", sagte ich. Gonzo drehte sich um. Er sah mich forschend an.
„ Wie war das Gespräch im Verlag?“
Ich antwortete nicht, ging zum Kühlschrank und holte mir ein Bier heraus. Dann setzte ich mich an den Küchentisch. Ich öffnete das Bier, nahm einen Schluck, setzte die Flasche ab.
"Die Hank-Lester-Reihe wird eingestellt."
"Dass Hank es nicht gebracht hat, war dann doch keine so gute Idee", sagte Gonzo.
Ich zuckte die Schultern.
"Das war es gar nicht. Es sind die Kleintierhalter und Schrebergartenbesitzer. Die stehen nicht mehr auf Horror."
Gonzo sah mich verständnislos an.
"Es läuft einfach nicht mehr“, sagte ich. „Die Verkaufszahlen sind im Keller. Und da hat der Verlag eben eine
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