Das Buch der Verdammnis (German Edition)
gebracht.“
„ Helen?“
„ Helen ist die Heldin in dem Heft. Die Blondine, die in jedem Band vorkommt.“
„ Klar.“
„ Und jetzt hat sie das Schweinemonster in seinen Klauen. Helen hat natürlich furchtbare Angst.“
„ Was will denn das Schweinemonster von ihr?“
„ Na, was will wohl so ein Schweinemonster von einer Blondine mit ner Riesenoberweite?“
„ Verstehe.“
„ Und in letzter Sekunde kommt Hank Lester und macht das Schweinemonster alle. Helen ist zum Glück nichts passiert. Und sie ist ihm ungeheuer dankbar. Ja …“ Ich zögerte. „Und jetzt weiß ich nicht, wie es weiter geht.“
„ Aber das ist doch völlig klar, wie es weitergeht: Sie vögeln. Das ist doch immer so bei deinen Heften. Am Schluss vögelt dieser Hank Lester irgendeine Frau.“
„ Genau, genau so ist es. Es ist immer dasselbe. Immer dieselben Geschichten. Das ist es, du sagst es. Es ist einfach so furchtbar vorhersehbar.“
„ Ja und?“
„ Weißt du, ich würd gern mal was ganz anderes machen. Den Leser so richtig überraschen, dass er vor dem Heft sitzt und denkt: Meine Fresse, das ist echt ein Hammer.“
Gonzo sagte nichts. Er nahm einen Schluck von seinem Weizenbier und sagte nichts.
„Ich könnt natürlich den klassischen Schluss schreiben“, sagte ich. „Aber irgendwie habe ich diesmal so ... einen inneren Widerstand.“
"Ein innerer Widerstand?"
"Es ist wegen Helen. Das ist nicht die typische Blondine mit großen Möpsen und ..."
"Helen hat keine großen Möpse?"
"Natürlich hat sie große Möpse. Aber sie hat auch was im Kopf. Sie ist eine Astrophysikerin. Ihr Spezialgebiet ist die Quantenmechanik. Sie liebt Poesie. Und sie ist wunderschön. So eine Frau hüpft nicht einfach mit so einem Typen wie Hank Lester ins Bett. Nicht mit dieser Witzfigur von einem Geisterjäger, mit diesem aufgeblasenen Indiana-Jones-Verschnitt.“
Ich brach ab, ich hatte mich in Rage geredet.
"Aber du hast diese Witzfigur Hank Lester erfunden."
Gonzo hatte recht. Ich hatte den Dämonenjäger Hank Lester erfunden. Ich war sein geistiger Vater, der Autor seiner Abenteuer und hatte die Welt erschaffen, in der er lebte.
Eine Welt, in der es von Geistern, Vampiren und blutrünstigen Monstern nur so wimmelte. In der man nicht ein paar Meter auf der Straße gehen konnte, ohne auf die zweifelhaften Ausdünstungen eines stinkenden Werwolfs zu stoßen.
"Ja, aber ich kann ihn einfach nicht mehr ertragen. Dieser Typ glaubt, er kann jede haben. Aber bei Helen wird er sich die Zähne ausbeißen."
Gonzo kniff die Augen zusammen, schüttelte dann kurz den Kopf.
„ Es ist eine Sache, die mit Wahrhaftigkeit zu tun hat“, versuchte ich zu erklären. „Wenn du so schreibst wie ich, dann ist es, als ob die Figuren wirklich real sind. Und sie beginnen, selbst zu entscheiden, was sie tun und was nicht. Und so eine Frau wie Helen - eine Astrophysikerin, die Gedichte liebt - will dann plötzlich nicht mit so einem Typen wie Hank Lester schlafen.“
Gonzo hatte einen zweifelnden Gesichtsausdruck. Die nächsten Worte sprach ich ganz leise, als hätte ich Angst, es könnte jemand mithören.
"Manchmal hab ich das Gefühl, wenn ich den Computer herunterfahre, dann gehen die Geschichten weiter. Niemand kann das lesen, aber ich weiß es, es passiert ... zwischen den Zeilen."
Gonzo nahm einen Schluck von seinem Weizenbier. Aus den Lautsprechern tönte ein alter Song von Meat Loaf. Im Spiegel hinter dem Tresen sah ich uns zwei sitzen. Gonzo mit seinem pausbäckigen Gesicht, den dunklen Augen und den struppigen, braunen Haaren, die in allen Richtungen standen und seit Wochen keinen Kamm gesehen hatten.
Und daneben mich. Schwarze, kurze Haare, ein schmales Gesicht mit Ringen unter den Augen. Mir gefiel mein Ebenbild nicht, ich sah irgendwie gewöhnlich aus. Ich versuchte einen abgeklärten lässigen Blick, aber der Eindruck änderte sich nicht.
"Du hast dich also in diese Helen verknallt“, sagte Gonzo.
Ich sah ihn verblüfft an.
"Wie kommst du darauf?"
"Und jetzt hast du Angst, wenn sie mit Hank Lester schläft, und erst mal gesehen hat, was für einen riesigen Schwanz der hat, ist sie für dich verloren."
"Was soll dieses Gerede? Woher willst du wissen, was Lester für einen Schwanz hat? Das habe ich nie beschrieben."
"Leon, zwischen den Zeilen konnte jeder lesen, dass Hank Lester mächtig was in der Hose hat."
Ich schüttelte den Kopf.
„Du hast überhaupt nichts kapiert.“
„ Oh doch, Mann, Leon. Ich freu mich für dich.
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