Das Buch der Verdammnis (German Edition)
zerbrechen daran.“
Winter nahm einen Schluck von seinem Kaffee.
"Es gibt noch einen anderen Grund, warum ich dir das gezeigt habe", sagte er dann. "Wir hier im Verlag haben schon längere Zeit das Gefühl, du bräuchtest vielleicht etwas Abstand.“
„ Was meinst du damit?“
Winter winkte ab. "Glaub bloß nicht, du wärst der Einzige, der solche Ausfälle hat, solche schwachsinnige Ideen, wie das der Held plötzlich Erektionsstörungen hat. Du hast jetzt ... wie viele Folgen dieser Serie geschrieben?“
„300.“
„ 300 Folgen. Das ist verdammt viel. Glaub mir, das geht nicht spurlos an einen vorbei.“
Ich sah ihn fragend an.
"Wir hatten da einen Autor. Jonny Whisky war sein Autorenname. Western hat er geschrieben. Ich glaube, an die 1000 Folgen einer Reihe. Ich hätte die Zeichen erkennen müssen. Dass er irgendwann nur noch mit Hut und Fransenjacke herumgelaufen ist und dauernd nach Pferd gestunken hat. Aber man denkt, das sind so Marotten eines Autors.“
Er schüttelte den Kopf.
„Was ist mit ihm passiert?“ fragte ich.
„ Bei einem Termin hier im Verlag musste er im Vorzimmer warten. Er hat ein wenig mit seinem Lasso geübt. Unsere damalige Sekretärin hat das nicht überlebt. Sie wurde stranguliert.“
Ich schwieg betroffen.
„Ein Unglücksfall“, fuhr Winter fort. „Nun, unser Westernautor sitzt jetzt in der geschlossenen Abteilung einer psychiatrischen Anstalt.“
Winter sah mir in die Augen. „Bei ihm hat es ähnlich wie bei dir angefangen. Erst kleine Ausfälle, und dann ist es immer schlimmer geworden. Aber das war leider nicht der einzige Fall."
„Sybill von Festenberg.“ Eva hatte den Namen eingeworfen.
„ Sybill von Festenberg“, wiederholte Winter. „Die Autorin von über 500 Arztromanen. Dass sie immer in einem Arztkittel zu Besprechungen kam, war nur einer ihrer Marotten. Eine sehr attraktive Frau übrigens. Sie entwickelte irgendwann die fixe Idee, dass ihr Mann, ein berühmter Konzertpianist, unheilbar krank sei. Was hat sie gemacht? Sie hat ihn operiert. Auf dem Küchentisch, nachdem sie ihn vorher mit Tabletten betäubt hatte. Man muss dabei wissen, dass sie nicht die kleinste Ahnung von Medizin hatte. Die Folge der Operation war, dass sie ihren Mann verlor und unser Verlag eine seiner besten Autorinnen.“
Ich erinnerte mich, dass ich über den Fall in der Zeitung gelesen hatte.
„Und Nikolai Baretta“, sagte Eva. „Aber die Geschichte kennst du ja am besten.“
Nikolai Baretta. Ich schluckte. Sobald Eva den Namen gesagt hatte, stand mir sein Gesicht wieder vor Augen. Erst kürzlich hatte Meike von ihm gesprochen. Ich hatte schon gedacht, ich hätte Nikolai Baretta endgültig vergessen. Aber als Eva den Namen genannt hatte, war der Schmerz wieder da gewesen.
„Leon.“ Winter sah mich ernst an. „Wir werden die Hank-Lester-Reihe einstellen.“
„ Aber das könnt ihr nicht machen.“
"Die Entscheidung ist schon gefallen", sagte Eva. Ihre Stimme klang weich. Ich hatte Triumph, wenigstens Genugtuung von ihr erwartet, aber sie sah mich an und in ihren Augen glaubte ich Bedauern zu entdecken.
"Wir werden noch drei Hefte veröffentlichen", sagte Winter. "So hast du Zeit, dir einen spannenden und dramatischen Tod für ihn auszudenken."
„ Er muss auch nicht sterben“, sagte Eva. „Vielleicht setzt er sich auch einfach zur Ruhe und betreibt die Jagd auf Dämonen nur noch als Hobby, so wie Briefmarkensammeln.“
Ich sah sie entsetzt an.
„Und danach machst du erstmal eine Pause“, sagte Winter. „Vielleicht einen Urlaub. Und wenn du wiederkommst, dann können wir uns wieder zusammensetzen und überlegen, bei welcher Reihe du einsteigen kannst.“
„ Und wenn ich mich weigere, dieses letzte Heft zu schreiben.“
Winter sah mich nachdenklich an. Dann griff er nach seiner Tasche, die neben seinem Stuhl stand, holte einen Packen von Briefumschlägen heraus und warf sie auf den Tisch.
„Hier, Bewerbungsbriefe und Proben von Autoren, die darauf brennen, für den Verlag zu schreiben. Und das sind nur die, die ich heute früh mit der Post bekommen habe.“
Ich starrte stumm auf die Briefumschläge.
„Wenn du die Hank Lester Reihe beendet hast, kannst du bei einer anderen Reihe einsteigen“, sagte Eva.
Winter holte ein Heft aus seinem Koffer und legte es vor mich hin. Ich kannte es. Ein Heft aus der Dschungelpathologenreihe Dakota Bill.
„Dafür brauchen wir noch einen guten Autor“, meinte Winter. „Eva betreut die Reihe. Sie kann dir alles
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