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Das Buch der Verdammnis (German Edition)

Das Buch der Verdammnis (German Edition)

Titel: Das Buch der Verdammnis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunnar Schuberth
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eine meiner früheren Freundinnen. Wir hatten Sex.“
    Winter blickte träumerisch vor sich hin. Eva rollte verzweifelt die Augen. Sogar ihr ging die Angeberei von Winter auf die Nerven.
    "Ich weiß“, versuchte ich einen neuen Anlauf. „Hank hat seine Schwächen, vielleicht müsste man sein Frauenbild ein bisschen aufpolieren. Und dass sich Bobo dauernd im Schritt fasst, das war anfangs sicher ein guter Gag, aber das könnte man ändern."
    "Die Leser hassen Bobo", sagte Eva.
    "Man könnte Bobo ersetzen. Vielleicht durch einen Delfin. Alle Menschen lieben Delfine. Eine Inkarnation von Flipper. Wir könnten die Geschichten mehr ans Meer verlegen. Das Ganze würde dann auch spritziger werden. Die Kleintierhalter werden begeistert sein. Vor allem die mit Aquarium."
    Eva und Winter sahen sich kurz an. Ich zeigte auf die Grafiken.
    „Das sind doch nur Zahlen. Sie sagen nichts aus über die Bedeutung von Hank Lester. In einem halben Jahr sehen die ganz anders aus. Die bedeuten gar nichts.“
    „ Was heißt, die bedeuten gar nichts.“ Ich hatte einen wunden Punkt getroffen. Ich hatte etwas gegen Winters heilige Zahlen gesagt.
    „ Oh, ich weiß“, sagte Winter. „Ihr Autoren wollt euch nicht mit Verkaufszahlen abgeben. Ihr schwebt ja in einer ganz anderen Sphäre. Das ist euch viel zu banal, Informationen darüber, wer euch liest und wer für eure große Kunst bezahlt. Ich will dir mal etwas zeigen. Ich mach das eigentlich nicht, weil ich weiß, dass manche Autoren so was nur schwer verkraften, aber vielleicht ist das ja nötig, damit du von deinem Autorenschloss mal herunterkommst.“
    Er hackte auf der Tastatur herum.
    „Bei so einem Bericht wird am Ende immer der typische Leser simuliert. Das heißt, dass nach Auswertung aller Fakten ein Profil erstellt wird mit allen Eigenschaften des typischen Lesers: Aussehen, Verdienst, soziale Stellung, Vorlieben, Schwächen etc. Damit das Ganze anschaulicher wird, macht man eine Fotomontage. Hier haben wir ihn also, den typischen Hank-Lester-Leser oder besser: die typische Hank-Lester-Leserin.“
    Ein riesiges Bild erschien an der Wand. Zumindest erschien es mir riesig. Darauf war eine unglaublich fette Frau zu sehen, die auf der Toilette saß und ein Hank-Lester-Heft las. Ihre massigen Unterschenkel waren in Venenstrümpfen gepresst. Sie trug Lockenwickler, schien schon eine Ewigkeit auf dem Klo zu sitzen und ihr massiger Körper steckte in einem grauen Nachthemd. Ihre fetten Finger der rechten Hand hielten das Hank-Lester-Heft, während sie sich mit der anderen Hand eine Zigarette in den Mund steckte. Ihr Gesicht ließ einen sofort an einen Schweinskopf denken. Sie sah aus, wie einer der Schweinemonster aus meinen Romanen. Ihre Äuglein standen dicht beieinander, die Nase hatte eine rötliche Farbe und ihr fleischiger, übertrieben geschminkter Mund schien im nächsten Moment aufzuplatzen.“
    „Sie heißt Margit“, sagte Winter mit leiser Stimme. „Sie arbeitet halbtags in einem Büro und isst am liebsten Leberwurstbrot. Die Hank Lester Hefte liest sie am liebsten auf der Toilette. Sie lebt allein in einem kleinen Haus, das sie von ihrer Mutter geerbt hat. Manchmal trifft sie sich in der Freizeit mit einer Freundin, aber das ist schon ihre einzige Freizeitaktivität. Sie schaut fast die ganze Zeit fern oder liest eben Hefte.“
    „ Das ist ja furchtbar“, flüsterte Eva.
    „ Schau sie dir genau an“, sagte Winter zu mir. „Das ist deine Leserin. Die Frau, für die du schreibst. Wenn du dann heimgehst und dich wieder an deinen Computer setzt, um zu schreiben, denk an sie Sie muss dir immer vor Augen stehen.“
    Winter flüsterte noch immer. Die Frau an der Wand strahlte etwas aus, das es einen unmöglich machte, laut zu sprechen.
    Ich schluckte. Meine Kehle fühlte sich trocken an. Ich trank etwas von meinem Wasser und bemerkte, dass meine Hände zitterten.
    Winter ließ das Bild noch etwas wirken. Ich starrte wie gebannt darauf, konnte meine Augen einfach nicht von ihr lassen. Dann ließ Winter die Frau mit einem Mausklick verschwinden. Die Leinwand war schwarz. Winter ging zu den Fenstern, zog die Vorhänge zurück und das Licht, das von draußen in den Raum einfiel, tat mir in den Augen weh.
    Winter setzte sich wieder an den Tisch. Eine Zeit lang sagte niemand etwas. Mir war, als wäre sie immer noch an der Wand und würde uns mit ihren Schweinsäuglein anstarren.
    „ Ich nenne das immer einen Realitätsschock. Man kann das nicht jedem zeigen. Manche Autoren

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