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Das Buch der Verdammnis (German Edition)

Das Buch der Verdammnis (German Edition)

Titel: Das Buch der Verdammnis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunnar Schuberth
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Echt, ich freu mich für dich. Du bist verliebt. Endlich. Wie lange hast du dieser Eva nachgetrauert. Fast ein halbes Jahr. Und jetzt bist du endlich wieder verliebt.“
    Er wandte sich an Charlie, die am Zapfhahn stand.
    „Er ist verliebt“, sagte er zu ihr. Charlie sah mich misstrauisch an.
    „ In eine Astrophysikerin, die auf Gedichte steht.“
    Charlie verzog angeekelt das Gesicht.
    „Und das Beste ist, die Frau gibt’s gar nicht.“
    Der Gesichtsausdruck von Charlie wechselte erneut. Sie sah Gonzo mitleidig an.
    „Mach mal ne Pause mit der Sauferei“, sagte sie dann.
    Gonzo gab mir einen Knuff auf den Oberarm.
    „Mann, Leon, ich beneide dich. Du bist verliebt.“
    „ Hör auf mit dem Quatsch. Ich werd mich doch nicht in ne Figur aus nem Heft verlieben.“
    „ Da ist doch nichts dabei. Es gibt Leute, die verlieben sich in ne Zigarettenschachtel. Oder in eine Ziege. Du solltest dazu stehen.“
    Ich hätte es wissen müssen, man konnte nicht mit Gonzo über so was reden. Nicht mit einem Typen, den ich als zweiten Vorsitzenden eines UFO-Vereins kennengelernt hatte. Gonzo war felsenfest davon überzeugt, vor fünf Jahren von Außerirdischen entführt worden zu sein und zahllose Sexorgien mit perversen Außerirdischen gefeiert zu haben. Ich lebte seit zwei Jahren mit ihm zusammen in einer WG, ich kannte ihn.
    „Warum höre ich mir diesen Blödsinn überhaupt an?“
    „ Du solltest nicht so über deine Gefühle zu Helen sprechen. Das würde ihr sicher nicht gefallen. Weißt du denn, wie sie die ganze Sache sieht? Hat sie schon was verlauten lassen, ich meine, so zwischen den Zeilen?“
    Machte Gonzo sich über mich lustig? Aber nein, er sah mich mit seinem glasigen Vier-Weizen-Intus-Blick offen an.
    „Ich komm gleich wieder“, sagte ich und rutschte vom Barhocker.
     
    Ich hatte den Typ nie vorher gesehen. Auf einmal stand er hinter mir, ohne dass ich ihn bemerkt hatte. Vielleicht hatte er sich von hinten angeschlichen, vielleicht war er auch schon die ganze Zeit in dem kleinen Raum mit dem Bücherregal gewesen, das man auf dem Weg zur Toilette durchqueren musste und ich hatte ihn nicht gesehen. Ich hatte mir die Titel der Bücher auf dem Regal angesehen, hatte dann den "Schatz im Silbersee“ von Karl May entdeckt und das Buch herausgenommen, um darin zu blättern.
    "Eine gute Wahl", sagte eine Stimme hinter mir.
    Ich drehte mich um. Ein kleiner, dünner Mann mit weißem Haar und bleichem Gesicht stand vor mir. Sein Alter konnte man unmöglich schätzen, da die Blässe seines Gesichts wie eine Maske wirkte. Mit seinem roten Frack und den viel zu großen, schwarzen Hosen, die um seine dürren Beine schlackerten, wirkte er wie ein Clown. Er sah mich ernst an und sein intensiver Blick schien sich in meine Augen zu bohren.
    "Kennen wir uns?", fragte ich.
    Statt einer Antwort reichte er mir die Hand.
    "Mein Name ist Tobias Tareus."
    "Leon, ich heiße Leon", sagte ich. Sein Händedruck war so fest, dass ich mir Mühe geben musste, nicht das Gesicht zu verziehen. Für seine kleine Statur hatte er riesige Hände.
    Tareus griff nach dem Buch, das ich noch in den Händen hielt, nahm es vorsichtig an sich, dann stellte er es mit einer langsamen Bewegung zurück ins Regal.
    Mit seinen Fingern strich er über den Buchrücken, als wollte er die darauf eingeprägten Buchstaben ertasten. Er hatte die Augen geschlossen, als er sprach.
    "Karl May hat seine Figuren geliebt. Wenn sie am Lagerfeuer saßen, dann saß er auch dort. Er atmete ihre Luft, er trank ihr Wasser und er roch die trockene Luft der Prärie, wenn er darüber schrieb."
    Seine Augen blieben geschlossen, als würde er seinen Worten nachhören, die vom angrenzenden Kneipenlärm aufgesogen wurden und verklangen.
    Mir war unbehaglich zumute.
    "Wahrscheinlich hat er noch etwas anderes gerochen", sagte ich. "So selten wie diese Cowboys sich gewaschen haben."
    Tareus öffnete die Augen. Er sprach weiter, als hätte er mich nicht gehört.
    "Was ich damit meine: Jeder, der eine Geschichte schreibt, ist ein Hüter seiner Welt.“
    Tareus zeigte mit dem Finger auf das Buch von Karl May. "Er war ein guter Hüter."
    Was redete der Kerl? War er auf Drogen? Wir waren hier ganz allein in diesem kleinen Raum mit den vielen Büchern, in den man in der Ecke zwei schwere Sessel um einen runden Marmortisch platziert hatte. Darauf stand eine Wasserpfeife, an der Wand hingen Teppiche und das Ganze wirkte, als wäre man in einer Szene aus einem kitschigen Orientroman

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