Das Buch der Verdammnis (German Edition)
Schriftstellers, der an der Kälte und Gefühllosigkeit seiner Zeit leidet.
Für dieses Buch hatte ich begeisterte Kritiken erhalten. Doch meinem ersten Roman war kein zweiter gefolgt.
In meinem Schreibkurs erzählte ich, dass ich seit sieben Jahren täglich an meinem neuen Werk schrieb. Ein Buch, auf das die Kritiker mit immer größerer Ungeduld warteten und das ein Ereignis sein würde, wenn es denn endlich erschiene.
In Wahrheit hatte ich die letzten sieben Jahre unter dem Pseudonym Peter von Hellsinki 300 Folgen der Hank-Lester-Reihe geschrieben, darunter so unvergessliche Titel wie ‚Lady Last Night Stand‘ oder ‚Krieg der Satansweiber‘.
Aber das wussten nur wenige Vertraute.
Endlich erschienen die drei Teilnehmer des Seminars. Sie sahen erstaunt auf November, sagten aber nichts.
„Wir haben heute einen neuen Teilnehmer“, sagte ich. Ich wandte mich an November. „Können Sie vielleicht etwas von sich erzählen.“
November erhob sich, das war ungewöhnlich, niemand von den anderen hatte das gemacht bei der Vorstellung, nicht mal Robert Blum, der sonst in allem so förmlich war.
„Mein Name ist Berthold November.“ Er sprach so leise, dass man sich anstrengen musste, ihn zu hören, aber in seiner Stimme war eine kristallene Schärfe.
„ Ich freue mich, dass ich hier sein kann, es ist schon lange mein Traum, mich mit anderen Gleichgesinnten über mein Werk austauschen zu können.“
„ Schreibst du denn gerade etwas?“, fragte Polonski.
„ Oh ja. In der Vergangenheit fehlte mir leider Zeit und Muße für die schöne Kunst der Literatur, doch eine günstige Fügung des Schicksals hat es mir ermöglicht, mich ganz meinem Werk zu widmen. Ich hoffe hier auf Anregung, auch auf Kritik, ich habe viel von den Fähigkeiten unseres Lehrers Leon gehört und habe sein außergewöhnliches Büchlein ‚Schneegestöber im August’ verschlungen.“
Dass er ‚Schneegestöber’ außergewöhnlich nannte, schmeichelte mir. Dass er es als Büchlein bezeichnete, stieß mir auf.
November stand noch einen Moment an seinen Platz. Er sah in die Runde, als wartete er auf eine weitere Frage, aber niemand sagte etwas. Er setzte sich wieder.
„ Berthold kann uns ja später etwas über sein Werk erzählen. Heute wollte Mark uns den Plot seiner neuesten Idee erzählen.“
Eigentlich stand das Thema ‚überraschende Wendungen’ auf dem Programm, aber das bot für mich schon lange keine Überraschungen mehr. Deshalb war ich ganz froh gewesen, dass Polonski mich in der letzten Woche gefragt hatte, ob er heute eine neue Idee vorstellen könnte.
Polonski nickte, er nahm einen Block aus seiner braunen, rissigen Ledertasche, blätterte darin, schüttelte den Kopf, als wäre er unzufrieden mit seinem Entwurf, schnaufte tief durch, sah mich an und begann:
„ Es geht um eine Invasion der Außerirdischen.“
Ich versuchte, interessiert auszusehen.
„Das sind aber nicht so Außerirdische wie in den Filmen. Bei mir sind das Würmer. Meine Geschichte heißt deshalb auch ‚Invasion der außerirdischen Würmer.“
Alle Geschichten Polonskis begannen mit der Invasion von Außerirdischen.
„Wenn das Buch anfängt, sind die Würmer schon längst da. Das liegt daran, dass es eben Würmer sind und die fallen nicht so auf als Außerirdische. Nur Bronzek, der Held in meiner Geschichte, dem fällt irgendwann auf, dass was nicht stimmt. Bronzek ist Agent. Er ist Mitglied der SEPV, der Sondereinheit für paranormale Verbrechen. Bronzek jagt Monster, die über einen Riss im Raum-Zeit-Kontinuum in unsere Gegenwart gekommen sind. Und Bronzek hört auf einmal Stimmen. Er hört die Stimme eines Wurms. Er findet heraus, dass er der einzige Mensch ist, der mit den außerirdischen Würmern kommunizieren kann.“
Er machte eine Pause. Sein Gesicht zeigte, wie sehr er selbst begeistert von seiner Idee war.
„Bronzek beginnt eine Kommunikation mit einem weiblichen Wurm. Von seinen Vorgesetzten bekommt er den Auftrag, die außerirdischen Invasoren zu eliminieren. So beginnt er, ihre Sprache zu lernen und gaukelt dem weiblichen Wurm Gefühle vor, um mehr über die Absichten der Invasoren zu erfahren. Doch dann passiert etwas, womit Agent Bronzek nie gerechnet hätte. Er fängt an, sich in diesen weiblichen Wurm zu verlieben. Er vergisst seinen Auftrag, dass er ja eigentlich diese außerirdischen Würmer vernichten muss. Er ist besessen. Besessen von der Vorstellung, Sex mit diesem Wurm zu haben.“
Polonski machte eine
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