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Das Buch der verlorenen Dinge

Das Buch der verlorenen Dinge

Titel: Das Buch der verlorenen Dinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Connolly
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eingesperrt in Holz und Messing und Nägel, aber er konnte mit seinem Vater nicht darüber reden. Sein Vater würde es nicht verstehen, außerdem würde es ohnehin nichts ändern. Da er nicht in der Kirche bleiben konnte, ging er auf sein Zimmer und versuchte sich vorzustellen, wie es wohl für sie war. Er zog die Vorhänge an seinem Fenster zu und schloss die Tür, sodass es drinnen so dunkel war wie nur möglich. Dann kroch er unter sein Bett.
    Das Bett war niedrig, und der Raum darunter sehr eng. Es stand in einer Ecke des Zimmers, und so schob David sich vor, bis seine linke Hand die Wand berührte. Dann schloss er fest die Augen und lag ganz still da. Nach einer Weile versuchte er, den Kopf zu heben. Er stieß hart gegen die Latten, auf denen seine Matratze lag. Er drückte dagegen, doch sie waren festgenagelt. Er versuchte, das Bett anzuheben, indem er noch fester drückte, doch es war zu schwer. Es roch nach Staub und seinem Nachttopf. Er fing an zu husten. Seine Augen tränten. Er beschloss, das Experiment zu beenden, doch es war leichter, unter das Bett zu kriechen, als wieder hervorzukommen. Er musste niesen und schlug mit dem Kopf schmerzhaft gegen die Unterseite des Betts. Er bekam es mit der Angst zu tun. Mit den nackten Füßen versuchte er, irgendwo auf den Holzdielen Halt zu finden. Dann griff er nach oben und zog sich an den Latten seitwärts, bis er nahe genug am Bettrand war, um sich hinauszuschieben. Er stand auf und lehnte sich tief durchatmend an die Wand.
    So war es also, wenn man tot war: gefangen in einem engen Raum, mit einem schweren Gewicht, das einen für immer dort unten festhielt.
     
     
    Seine Mutter wurde an einem Morgen im Januar beerdigt. Der Boden war hart, und alle Trauergäste trugen Handschuhe und Mäntel. Der Sarg wirkte zu klein, als sie ihn in die Erde hinabließen. Als sie noch lebte, war seine Mutter ihm immer groß vorgekommen. Der Tod hatte sie klein gemacht.
    In den darauffolgenden Wochen versenkte David sich in Bücher, denn die Erinnerungen an seine Mutter waren untrennbar verbunden mit Büchern und Lesen. Er bekam ihre Bücher, zumindest diejenigen, die als »passend« angesehen wurden, und so saß er da und versuchte, Romane zu lesen, die er nicht verstand, und Gedichte, die sich nicht richtig reimten. Manchmal fragte er seinen Vater um Rat, doch der schien wenig Interesse an Büchern zu haben. Er verschanzte sich, wenn er zu Hause war, immer hinter seinen Zeitungen, sodass nur der Pfeifenrauch zu sehen war, der wie die Rauchzeichen von Indianern über den Seiten aufstieg. Er war regelrecht besessen von den Geschehnissen in der Welt, und jetzt umso mehr, wo Hitlers Streitmächte sich über ganz Europa ausbreiteten und die Gefahr von Angriffen auf ihr eigenes Land immer größer wurde. Davids Mutter hatte einmal gesagt, sein Vater hätte früher viele Bücher gelesen, aber irgendwann die Fähigkeit verloren, sich von den Geschichten aufsaugen zu lassen. Nun bevorzugte er die Zeitungen mit den langen Textspalten, die mühsam, Buchstabe für Buchstabe gesetzt worden waren, um etwas zu erschaffen, das in dem Moment, wenn es in den Kiosken ausgelegt wurde, fast schon seine Bedeutung verloren hatte. Denn zu dem Zeitpunkt, an dem die Nachrichten gelesen wurden, waren sie bereits alt und kurz vorm Sterben, längst überholt von den Ereignissen draußen in der Welt.
    Die Geschichten in den Büchern hassen die Geschichten in den Zeitungen, hätte Davids Mutter gesagt. Zeitungsgeschichten waren wie gefangener Fisch: nur brauchbar, solange sie frisch waren, und das war nicht sehr lange. Sie waren wie die Straßenjungen, die die Abendausgabe verkauften, laut und aufdringlich, während Geschichten – richtige, ordentlich geschriebene Geschichten – wie strenge, aber hilfsbereite Bibliothekare in einer gut sortierten Bücherei waren. Zeitungsgeschichten waren so flüchtig wie Rauch, so kurzlebig wie Eintagsfliegen. Sie schlugen keine Wurzeln, sondern breiteten sich kriechend aus wie Unkraut, das den wertvolleren Geschichten das Sonnenlicht stahl. Der Kopf von Davids Vater war ständig angefüllt von schrillen, wetteifernden Stimmen. Wenn er einer von ihnen seine Aufmerksamkeit schenkte, verstummte sie zwar, aber dafür erhob sofort die nächste ihr Geschrei. Solche Dinge hatte seine Mutter ihm lächelnd zugeflüstert, während sein Vater mit gerunzelter Stirn auf seiner Pfeife herumkaute. Er wusste sehr wohl, dass sie über ihn redeten, wollte ihnen aber nicht das Vergnügen

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