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Das Buch der verlorenen Dinge

Das Buch der verlorenen Dinge

Titel: Das Buch der verlorenen Dinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Connolly
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begleitete ihn mindestens zweimal in der Woche in dem alten Ford Eight, obwohl die Hin- und Rückfahrt ihm nur noch wenig freie Zeit ließ, wenn er seine Hausaufgaben gemacht und zu Abend gegessen hatte. Auch seinen Vater erschöpfte die lange Fahrt, und David fragte sich, woher er die Kraft nahm, jeden Morgen aufzustehen, das Frühstück für David zu machen, ihn zur Schule zu bringen, bevor er zur Arbeit fuhr, nach Hause zu kommen, den Tee vorzubereiten, David bei seinen Hausaufgaben zu helfen, wenn es nötig war, Davids Mutter zu besuchen, wieder nach Hause zu kommen, David einen Gutenachtkuss zu geben und dann noch eine Stunde lang die Zeitung zu lesen, bevor er zu Bett ging.
    Einmal war David nachts wach geworden, weil er großen Durst hatte, und nach unten gegangen, um sich ein Glas Wasser zu holen. Aus dem Wohnzimmer hatte er ein Schnarchen gehört, und als er vorsichtig hineingeschlichen war, hatte er seinen Vater schlafend im Sessel vorgefunden, die Zeitung um ihn herum auf dem Boden ausgebreitet und den Kopf über die Rückenlehne hängend. Es war drei Uhr morgens. David hatte nicht gewusst, was er tun sollte, doch schließlich hatte er seinen Vater geweckt, weil er sich erinnerte, wie er selbst einmal während einer langen Zugreise in einer unbequemen Haltung eingeschlafen war, und hinterher hatte ihm noch tagelang der Nacken wehgetan. Sein Vater hatte ihn überrascht und ein wenig verärgert angesehen, weil er aus dem Schlaf gerissen worden war, aber er war aus dem Sessel aufgestanden und nach oben gegangen, um sich hinzulegen. Doch David war sicher, dass er nicht zum ersten Mal so eingeschlafen war, in seinen Kleidern und weit entfernt von seinem Bett.
    Als Davids Mutter starb, bedeutete es also nicht nur, dass sie keine Schmerzen mehr hatte, sondern auch, dass Schluss war mit den langen Fahrten zu dem großen, gelben Gebäude, in dem die Leute sich in Luft auflösten, mit dem Schlafen in Sesseln und mit hastigen Mahlzeiten. Stattdessen gab es nur noch die Art von Stille, die herrscht, wenn man eine Uhr zur Reparatur bringt; nach einer Weile bemerkt man ihr Fehlen, weil ihr leises, tröstliches Ticken nicht mehr da ist und man es schrecklich vermisst.
    Doch nach ein paar Tagen verschwand das Gefühl der Erleichterung, und David bekam ein schlechtes Gewissen, weil er froh war, dass sie nicht mehr all die Dinge tun mussten, zu denen die Krankheit seiner Mutter sie gezwungen hatte, und dieses schlechte Gewissen verschwand auch nach ein paar Monaten nicht. Im Gegenteil, es wurde immer schlimmer, und irgendwann wünschte David, seine Mutter wäre noch in dem Krankenhaus. Wenn sie noch dort gewesen wäre, hätte er sie jeden Tag besucht, auch wenn es bedeutet hätte, morgens früher aufzustehen, um seine Hausaufgaben zu machen, weil er es nicht ertragen konnte, sich ein Leben ohne sie vorzustellen.
    Die Schule wurde schwieriger für ihn. Seine Freunde wurden ihm fremd, noch bevor der Sommer kam und die warmen Winde sie in alle Richtungen verstreuten wie Pusteblumensamen. Es hieß, alle Jungen würden aus London evakuiert und aufs Land geschickt, wenn im September die Schule wieder begann, aber Davids Vater hatte ihm versprochen, dass er ihn nicht wegschicken würde. Schließlich gab es jetzt nur noch sie beide, hatte er gesagt, und sie mussten zusammenhalten.
    Sein Vater stellte eine Dame ein, Mrs. Howard, die sich um den Haushalt kümmerte und ein wenig kochte. Meist war sie da, wenn David aus der Schule kam, aber Mrs. Howard war viel zu beschäftigt, um mit ihm zu reden. Sie ließ sich zur Luftschutzwartin ausbilden und musste sich auch noch um ihren eigenen Mann und ihre Kinder kümmern, sodass sie keine Zeit hatte, mit David zu plaudern oder ihn zu fragen, wie es in der Schule gewesen war.
    Mrs. Howard ging gegen vier Uhr, und Davids Vater kam frühestens um sechs von seiner Arbeit an der Universität nach Hause, bisweilen sogar später. Somit war David allein in dem leeren Haus, und seine einzige Gesellschaft waren das Radio und seine Bücher. Manchmal setzte er sich in das Schlafzimmer seiner Eltern. Die Kleider und Röcke seiner Mutter hingen noch in einem der Schränke, so ordentlich aufgereiht, dass sie, wenn man die Augen ein wenig zukniff, fast wie Menschen aussahen. David strich mit der Hand darüber und brachte sie zum Schwingen, so wie sie geschwungen hatten, wenn seine Mutter in ihnen umhergegangen war. Dann legte er sich auf die linke Seite des Betts, die Seite, auf der seine Mutter immer

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