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Das Buch der verlorenen Dinge

Das Buch der verlorenen Dinge

Titel: Das Buch der verlorenen Dinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Connolly
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das du jetzt in Händen hältst. Und wenn Kinder ihn fragten, ob alles, was darin stand, wahr war, sagte er, ja, das war es, oder jedenfalls so wahr, wie etwas auf dieser Welt nur sein kann, denn genau so hatte er es in Erinnerung.
    Und in gewisser Weise wurden sie alle seine Kinder.
    Als Rose älter und schwächer wurde, kümmerte David sich um sie, und als sie starb, hinterließ sie David das Haus. Er hätte es verkaufen können, denn mittlerweile war es ein kleines Vermögen wert, aber er tat es nicht, sondern behielt es für sich, richtete sich im Erdgeschoss ein Arbeitszimmer ein und verbrachte dort viele glückliche Jahre. Zahlreiche Kinder kamen ihn besuchen – manchmal mit ihren Eltern, manchmal allein –, denn das Haus war sehr berühmt, und Davids Tür stand ihnen stets offen. Wenn sie brav waren, zeigte er ihnen den Senkgarten, obwohl die Risse in der Mauer längst repariert worden waren, denn David wollte nicht, dass Kinder dort hineinkrochen und in Schwierigkeiten gerieten. Stattdessen sprach er mit ihnen über Bücher und Geschichten, erklärte ihnen, dass Geschichten erzählt und Bücher gelesen werden wollten, und dass alles, was sie über das Leben wissen wollten und das Land, in dem er gewesen war, oder jedes beliebige andere Land oder Reich, das sie sich vorstellen konnten, in den Büchern stand.
    Und einige von den Kindern verstanden, was er meinte, und andere nicht.
     
     
    Mit den Jahren wurde David gebrechlich und krank. Er konnte nicht mehr schreiben, denn seine Augen und sein Gedächtnis ließen ihn im Stich, und er konnte auch nicht mehr weit gehen, um die Kinder zu begrüßen, wie er es früher getan hatte. (Und auch dies hatte der Krumme Mann ihm vorhergesagt, ebenso zutreffend, als hätte David in die verspiegelten Augen der Frau im Kerker geschaut.) Die Ärzte konnten nichts für ihn tun, außer seine Schmerzen ein wenig zu lindern. Er stellte eine Krankenschwester ein, die sich um ihn kümmerte, und seine Freunde kamen, um ihm Gesellschaft zu leisten. Als das Ende nahte, ließ er sich unten in der großen Bibliothek ein Bett aufstellen, damit er nachts inmitten all der Bücher schlafen konnte, die er als Junge und als Erwachsener so geliebt hatte. Außerdem bat er den Gärtner leise, eine Kleinigkeit für ihn zu erledigen und niemandem davon zu erzählen, und der Gärtner tat ihm den Gefallen, denn er mochte den alten Mann sehr.
    Und so lag David in den tiefsten, dunkelsten Stunden der Nacht da und lauschte. Die Bücher hatten wieder zu flüstern begonnen, doch er verspürte keine Angst. Sie sprachen leise zu ihm, schenkten ihm Worte des Trostes und der Zuneigung. Manchmal erzählten sie ihm Geschichten, die er geliebt hatte, und nun gehörte seine eigene dazu.
    Eines Nachts, als sein Atem sehr flach geworden war und das Licht in seinen Augen zu verlöschen begann, erhob David sich von seinem Bett in der Bibliothek und ging langsam zur Tür. Unterwegs hielt er kurz inne und nahm ein Buch aus dem Regal. Es war ein altes, in Leder gebundenes Album, in dem sich Fotos und Briefe, Karten und Andenken, Zeichnungen und Gedichte, Haarlocken und ein Paar Eheringe befanden, lauter Überbleibsel eines langen Lebens, aber diesmal war es sein eigenes. Das Gemurmel der Bücher wurde lauter, ihre Stimmen erhoben sich zu einem tönenden Chor der Freude, denn eine Geschichte würde nun enden, und bald würde eine neue geboren werden. Liebevoll strich der alte Mann zum Abschied über ihre Rücken, dann verließ er die Bibliothek und das Haus, um ein letztes Mal über den feuchten Rasen zum Senkgarten zu gehen.
    In einer Ecke hatte der Gärtner ein Loch in die Mauer gestemmt, gerade groß genug für einen erwachsenen Mann. Mühsam begab David sich auf alle viere und kroch durch die Öffnung, bis er in den Hohlraum hinter der Mauer gelangte. Dort setzte er sich in die Dunkelheit und wartete. Zunächst geschah gar nichts, und er hatte Mühe, die Augen offen zu halten, doch nach einer Weile sah er ein Licht, das allmählich größer wurde, und spürte einen kühlen Windhauch auf dem Gesicht. Es roch nach Baumrinde und saftigem Gras und blühenden Blumen. Vor ihm tat sich eine Höhlung auf, und als er hindurchtrat, fand er sich inmitten eines großen Waldes wieder. Das Land hatte sich verändert, für immer. Es gab keine wilden Tiere mehr, die Menschen sein wollten, keine diffusen Albträume, die darauf lauerten, dass ihnen ein Unachtsamer in die Falle geriet. Es gab keine Angst mehr und kein endloses

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