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Das Buch der verlorenen Dinge

Das Buch der verlorenen Dinge

Titel: Das Buch der verlorenen Dinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Connolly
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gönnen, ihnen zu zeigen, dass er sich darüber ärgerte.
    So kam David die Aufgabe zu, die Bücher seiner Mutter zu verwahren, und er stellte sie zu denen, die für ihn gekauft worden waren. Es waren Geschichten von Rittern und Soldaten, von Drachen und Seeungeheuern, alte Sagen und Märchen, denn die hatte seine Mutter als Mädchen geliebt, und daraus hatte er ihr vorgelesen, als die Krankheit immer gieriger geworden war, ihre Stimme in ein Flüstern verwandelt hatte und ihre Atemzüge in das Scharren von altem Sandpapier auf halb vermodertem Holz, bis die Anstrengung schließlich zu viel für sie geworden war und sie aufgehört hatte zu atmen. Nach ihrem Tod versuchte er, diese alten Geschichten zu meiden, weil sie zu eng mit dem Tod seiner Mutter verwoben waren, um Freude daran zu haben. Doch die Geschichten ließen sich nicht so einfach beiseiteschieben, und sie begannen, nach David zu rufen. Irgendetwas schienen sie in ihm zu spüren, zumindest glaubte er das, irgendetwas Neugieriges, Fruchtbares. Er hörte sie reden, erst leise, dann lauter und fordernder.
    Diese Geschichten waren sehr alt, so alt wie Menschen, und sie hatten überlebt, weil sie sehr mächtig waren. Es waren Geschichten, die noch lange im Kopf widerhallten, nachdem man das Buch, in dem sie standen, längst weggelegt hatte. Sie waren eine Flucht aus der Wirklichkeit, aber zugleich auch eine eigene, andere Wirklichkeit. Sie waren so alt und so seltsam, dass sie eine Art eigene Existenz entwickelt hatten, unabhängig von dem Papier, auf dem sie standen. Die Welt der alten Geschichten existierte parallel zu unserer, wie Davids Mutter ihm einmal gesagt hatte, aber manchmal wurde die Wand, die beide voneinander trennte, so dünn und brüchig, dass die beiden Welten sich zu vermischen begannen.
    Und da fing der Ärger an.
    Da begann das Böse sich auszubreiten.
    Da erschien der Krumme Mann in Davids Leben.

2
    Von Rose und Dr. Moberley
    und der Bedeutsamkeit von Details
     
     
     
    Es war eigenartig, doch kurz nachdem seine Mutter gestorben war, verspürte David beinahe so etwas wie Erleichterung. Anders konnte man es nicht nennen, und David schämte sich dafür. Seine Mutter war fort, und sie würde niemals wiederkommen. Daran änderte auch das nichts, was der Pfarrer bei der Beerdigung gesagt hatte: dass Davids Mutter jetzt an einem besseren, glücklicheren Ort war und dass sie nicht mehr leiden musste. Es half auch nichts, als er David sagte, seine Mutter würde immer bei ihm sein, selbst wenn er sie nicht sehen könne. Schließlich konnte eine unsichtbare Mutter an lauen Sommerabenden nicht mit ihm spazieren gehen und die Namen von Bäumen und Blumen aus ihrem scheinbar grenzenlosen Wissen über die Natur hervorzaubern; sie konnte ihm auch nicht bei den Hausaufgaben helfen, wobei ihm ihr vertrauter Duft in die Nase stieg, wenn sie sich vorbeugte, um einen Schreibfehler zu korrigieren oder über die Bedeutung eines unbekannten Gedichts nachzusinnen; und sie konnte an kalten Sonntagnachmittagen auch nicht mit ihm zusammen lesen, wenn das Feuer im Kamin flackerte und der Regen gegen die Fenster und auf das Dach prasselte und das ganze Zimmer nach Rauch und Hefeküchlein roch.
    Doch dann erinnerte sich David, dass sie während der letzten Monate ja gar nicht in der Lage gewesen war, alle diese Dinge zu tun. Die Medikamente, die die Ärzte ihr gaben, machten sie müde und krank. Sie konnte sich nicht konzentrieren, nicht einmal auf die einfachsten Sachen, und Spaziergänge waren erst recht nicht möglich. Zum Ende hin war David bisweilen nicht einmal mehr sicher gewesen, ob sie ihn noch erkannte. Sie begann komisch zu riechen, nicht schlimm, aber merkwürdig, wie alte Kleider, die lange nicht mehr getragen worden waren. Nachts schrie sie vor Schmerzen, und Davids Vater hielt sie im Arm und versuchte, ihre Qualen zu lindern. Wenn es ihr sehr schlecht ging, wurde der Arzt gerufen. Irgendwann war sie zu krank, um in ihrem Zimmer zu bleiben, und da kam ein Krankenwagen und brachte sie in ein Krankenhaus, das aber kein richtiges Krankenhaus war, weil niemand dort je gesund wurde und wieder zurück nach Hause kam. Die Kranken wurden immer stiller, bis schließlich absolute Stille herrschte und nur noch leere Betten dort standen, wo sie vorher gelegen hatten.
    Das Beinahe-Krankenhaus war weit von zu Hause weg, aber Davids Vater fuhr jeden zweiten Tag dorthin, nachdem er von der Arbeit zurückgekommen war und mit David zu Abend gegessen hatte. David

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