Das Buch der zwei Krähen. Historische Erzählung
tödliche Katz-und-Maus-Spiel ein. Beim Berechnen des jeweils nächsten Zuges hilft ihm die Journalistin Eva – die Geschichte studiert hat. Schnell stellt sich heraus, dass die beiden ein Rennen gegen die Zeit bestehen müssen.
Zu den historischen Figuren im Buch:
Kurfürst Carl Theodor regierte von 1742 bis 1777 in Mannheim. Er war eine ambivalente Fürstenfigur – und zugleich eine der mächtigsten. Mehr den schönen Künsten zugeneigt als der Politik interessierte er sich stärker für die Gestaltung des Schwetzinger Schlossgartens als für Kriegspläne. Friedrich der Große hat ihn als »pfälzisches Glücksschwein« bezeichnet, als er mit der Erbschaft von Bayern einen großen Fisch an Land zog, obwohl er niemals außenpolitisch aktiv gewesen war. Carl Theodor interessierte sich für die Aufklärung und unterhielt über Jahre eine Freundschaft zu Voltaire, andererseits war er ein strenggläubiger Katholik und zweifelte den Absolutismus nie an. 1760 trat er in die Mannheimer Freimaurerloge »Saint Charles de l’Union« ein. 1784 ließ er alle geheimen Gesellschaften und Verbindungen verbieten, die ohne “landesherrliche Bestätigung” gegründet worden waren – allen voran den Illuminaten-Orden, dem man vorwarf ein Attentat auf den Kurfürsten zu planen.
Johann Christian von Mannlich war zunächst Maler am Hofe des Herzogs von Zweibrücken. Seine Ausbildung erhielt er in Paris und an der Zeichnungsakademie in Mannheim. Dort lernte er Carl Theodor kennen. Er verbrachte mehrere Jahre in Mannheim, bevor er Galeriedirektor der Alten Pinakothek in München wurde. Seine Memoiren erschienen in französischer Sprache (»Histoire de ma vie«, Trier), später auch in deutscher Übersetzung (»Rokoko und Revolution«, Berlin 1913, und »Lebenserinnerungen«, Stuttgart 1966).
LESEPROBE “DIE SHAKESPEARE-LÜGE”
erscheint am 28.06.2013
PROLOG
NORDSEE, IM SOMMER 1609
Die Männer hatten Angst vor ihm.
Es war der Wilde, der ihn begleitete, sagten sie.
Es waren seine Augen, dachte Harris. Diese ausdruckslosen, dunklen Flecken. Durch sie erschien der Italiener unmenschlich. Unwirklich. Als wäre er nicht unter den Lebenden.
Harris ließ sich davon nicht beeindrucken. Er erkannte in dem Händler mehr eine traurige Gestalt, weniger einen Dämon. Einen Kerl, dem das Leben ordentlich Zunder gegeben hatte. Wie die meisten armen Seelen an Bord. Warum sollte ein Mensch sonst Jahr um Jahr, von Barkasse zu Barkasse, in stinkenden Kojen über die Meere segeln? Bis hinüber zu den verdammten Wilden.
Einmal hatte Harris, eine halbwegs vernünftige Unterhaltung mit dem Italiener geführt. Seither wusste er, dass der dürre Mann, mit der von der Sonne gegerbten Haut und dem von Narben zerfurchten Gesicht, sich für wenigstens eine Errungenschaft menschlichen Zusammenlebens interessierte. Das Theater. Aye, man höre und staune! Deswegen hatte Harris den Schiffsjungen beauftragt, den Hamlet auszugraben. Eines dieser Stücke, das einem die Brühe aus den Augen drückte.
Der Rumpf des Schiffes schaukelte, die Fackeln im Zwischendeck erzitterten. Ihr Schein tanzte in wilden Schemen über die Körper der Matrosen in ihrer armseligen Maskerade. Allgemeines Gelächter, als der Erste Offizier in Frauenkleidern die Ophelia gab. Das Gesicht mit Ruß verschmiert. Notdürftige Schminkversuche. Als der Geist des toten Königs auf der Bühne erschien, raunte die Menge.
Einzig der Italiener verzog keine Miene. Rauchte nur weiter dieses stinkende Kraut, das er von den Wilden mitgebracht hatte.
Die Überführung des Thronräubers durch die Theatertruppe, der versehentliche Mord Hamlets am Vater seiner Geliebten, der Selbstmord Ophelias. Nichts. Keine Regung. Es sah fast aus, als wäre der Italiener eingeschlafen.
Als das Stück vorbei war, schlich Harris an ihn heran. Gerade, als er vor dem Italiener stand und sich zu ihm herunterbeugte – war er vielleicht tot? - riss er die Augen auf. Harris wich zurück, wie von einer Krake angesprungen.
»Das war schön«, murmelte der Italiener, ohne eine Miene zu verziehen. »Wer hat das geschrieben?«
»Ge-, geschrieben?«, stammelte Harris.
»Aye, Capitano. Irgendjemand muss der Schöpfer dieses Werkes sein.«
Harris nickte dem Schiffsjungen zu, der sich durch die Textblätter wühlte.
»Sha --- Shaf --- Shaks --- s – p – r«, stotterte der Junge. »--- spere ---«
»Shakespeare?«
»Genau --- das ist es. William Shakespeare!«
Mit einem Mal sprang der Italiener auf
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