Das Buch des Todes: Roman (German Edition)
wieder.
Es sah aus, als wäre der Killer geflohen. Vielleicht, weil er gesehen hatte, wie Sanchez kam. Jedenfalls war er jetzt allein in der Wohnung. Am besten forderte er Verstärkung an. Sanchez zog das Funkgerät vom Gürtel und setzte einen Ruf ab.
»Hier spricht Detective Sanchez Garcia. Bitte um Verstärkung. Ich befinde mich im dritten Stock des Remington Tower in der 54. Straße und habe hier ein paar noch nicht identifizierte Leichen gefunden. Überall klebt Blut. Ich glaube, dass die Morde gerade erst passiert sind und sich der Killer noch immer in der Nähe aufhalten könnte. Bitte schicken Sie Verstärkung oder ich verpiss mich.« Weil er sicher war, dass niemand auftauchen würde, wenn er die Motivation dafür nicht etwas erhöhte, fügte er hinzu: »Ich habe auch Donuts hier.«
Aber nun die wichtigen Dinge zuerst. Nachdem der Adrenalinstoß nach dem Anblick der Leichen nun langsam abebbte, musste er erst mal dringend pinkeln.
Sanchez ging zurück ins Bad und klappte den Toilettensitz hoch. Dann klemmte er das Funkgerät wieder an seinen Gürtel und öffnete den Hosenschlitz. Es ging doch nichts über einen kräftigen Strahl, um sich zu entspannen. Seufzend genoss er das Gefühl der Erleichterung und überlegte dabei, was wohl aus Jessica geworden sein mochte. War sie durch das offene Fenster im Wohnzimmer geflohen? Durchaus möglich. Die Frau war schließlich nicht auf den Kopf gefallen. Oh Gott, hing sie vielleicht am Fenstersims und wartete darauf, dass er sie rettete? Verdammt, da sollte er doch besser gleich mal nachsehen!
Schnell schloss er seinen Hosenstall wieder. Als er sich dann vorbeugte, um zu spülen, rutschte ihm die Waffe aus dem Bund. Nein, sie wurde herausgezogen.
Oh scheiße, das war gar nicht gut.
Er hörte ein lautes Klicken. Jemand hatte die Pistole entsichert.
Scheiße.
Während die Toilette noch rauschte, drehte Sanchez sich langsam um. Er kannte den Mann, der jetzt mit einer Pistole auf seinen Kopf zielte. Der Mann trug Jeans, ein weißes T-Shirt und eine schwarze Lederjacke. Wenn er sonst auch anders angezogen war, wusste Sanchez sofort, wen er vor sich hatte. Es war niemand anderer als der Bourbon Kid.
Langsam hob er die Arme, um sich zu ergeben. Bisher war er jedes Mal ungeschoren aus einer Begegnung mit dem Bourbon Kid davongekommen, und er konnte nur hoffen, dass diese Glückssträhne jetzt nicht abriss. Der Kid sah gerade ernsthaft wütend aus. Wohnte er etwa hier? Falls ja, betete Sanchez im Stillen, dass er die kleinen Pissflecken vor der Toilette nicht bemerkte. Da hatte er eben nämlich nicht richtig gezielt. Einmal Fingerkrümmen, und Sanchez würde sich von dieser Welt verabschieden.
»Wo ist Beth?«, fragte der Kid. »Was zum Teufel ist hier passiert?« Mit hochgezogenen Augenbrauen musterte er Sanchez von oben bis unten. »Und wieso steckst du in dieser beschissenen Polizeiuniform?«
Diese Fragen verwirrten Sanchez. Ganz offensichtlich hatte der Bourbon Kid auch keine Ahnung, was hier geschehen war. Aber er war doch wohl der Mörder, oder etwa nicht?
»Warum fragst du mich das?«, entgegnete Sanchez. »Ich meine, du hast die Leute hier schließlich umgebracht! Und Jessica auch. Was hast du mit ihr gemacht?«
Jetzt war der Kid verwirrt. »Was?«
»Jessica! Wo ist sie? Sie ist vor mir hier raufgegangen, aber als ich ankam, war sie weg, und es lagen lauter Leichen rum. Was hast du mit ihr gemacht? Und wieso versuchst du immer wieder, sie umzubringen?«
Der Kid ließ die Waffe sinken. »Jessica war hier?«
»Ja. Hast du sie nicht gesehen?«
»Die hab ich letztes Jahr während der Sonnenfinsternis getötet.«
»Nein«, widersprach Sanchez. »Ich habe sie wieder gesund gepflegt, nachdem du auf sie geschossen hattest. Ihr geht es wieder gut. Oder zumindest ging es ihr gut, bis sie hier heraufgekommen ist. Jetzt ist sie verschwunden. Dabei muss sie eigentlich noch irgendwo hier stecken.«
Der Kid hob die Waffe wieder und zielte auf Sanchez’ Nase. »Wo zum Teufel ist Beth?«
»Psycho-Beth?«
»Wer?«
»Beth Lansbury.«
»Ja, Beth Lansbury. Wo steckt sie?«
Sanchez zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung. Die war nicht hier, als ich angekommen bin.«
Der Kid ließ ihn stehen und ging ins Schlafzimmer.
»Da ist niemand«, rief Sanchez ihm hinterher. »Ich habe grad nachgesehen.«
Er hörte, wie der Kid die Schlafzimmertür öffnete, um sich mit eigenen Augen davon zu überzeugen. Sanchez steckte den Kopf aus dem Bad und spähte um die Ecke, weil
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