Das Buch des Todes: Roman (German Edition)
die Decke. Okay, der Tote hätte jedenfalls gestarrt, wenn seine Augen noch da gewesen wären. Jemand hatte sie ihm ausgekratzt, und jetzt waren nur noch zwei dunkle Löcher übrig. Seine Uniform war genauso blutgetränkt wie die seiner Kollegin, über die Sanchez nun hinwegstieg.
Wenig überraschend stank es in der Wohnung. Mindestens eine der Leichen hatte sich in die Hose geschissen. Am liebsten hätte Sanchez großzügig Raumspray mit Tannenduft in den Räumen verteilt. Abgesehen vom Gestank war es außerdem auch noch eiskalt hier.
Das lag an dem offen stehenden Fenster, durch das der Wind hereinblies und den Vorhang aufbauschte.
»Welcher Idiot lässt denn bei dem Wetter das Fenster offen?«, überlegte Sanchez laut und umklammerte seinen Schlagstock fester.
Dann entdeckte er hinter dem Sofa zwei weitere Leichen, beide trugen blaue Polizeiuniformen.
Was zur Hölle?
Nirgendwo waren Einschusslöcher zu erkennen. Die Morde erinnerten ihn an den Tod seines Bruders Thomas und dessen Frau Audrey. Vor einem Jahr hatte er ihre Leichen gefunden, die damals genauso schlimm zugerichtet gewesen waren. Die beiden Bullen waren in Blut getränkt, die Augen fehlten, die Zungen waren zumindest nicht zu erkennen. Was zur Hölle war hier passiert? Er beugte sich über einen der Polizisten, um ihn sich genauer anzusehen. Der Mann war über vierzig, übergewichtig und hatte schon graue Haare. Im Holster an seiner Seite steckte eine Pistole. Sanchez steckte seinen Schlagstock weg und nahm sich dann ganz vorsichtig die Waffe. Sie hatte fast kein Blut abbekommen, jedenfalls am Griff nicht. Falls sich in der Nähe ein Killer versteckte, musste Sanchez sich verteidigen können. Oder zumindest anlegen und so aussehen, als meinte er es ernst. Er war zwar nicht gerade als Meisterschütze bekannt, aber es war besser, eine Pistole zu haben, als keine. Auch wenn sie nur Show war.
Während er sich noch nach anderen Sachen umsah, mit denen er sich verteidigen konnte, entdeckte er bei einem der Polizisten ein Funkgerät am Gürtel. Man hatte Sanchez noch keines gegeben, und weil sein toter Kollege es bestimmt nicht mehr brauchte, nahm er es an sich. Dann befestigte er es neben dem Schlagstock an seinem eigenen Gürtel.
»Jessica?«, rief er. »Jessica? Bist du hier irgendwo? Hallo? Ist hier überhaupt jemand?«
Doch außer den Vorhängen, die im Wind flatterten, rührte sich absolut nichts. Rechts von Sanchez befand sich der Kochbereich, und in einer Ecke eine weitere Tür zum Flur. Mit gezückter Waffe ging Sanchez los, um die Wohnung weiter zu durchsuchen. Vielleicht warteten hinter der Tür noch mehr Leichen oder gar Schlimmeres. Möglicherweise versteckte der Killer sich im Schlafzimmer. Andererseits konnte es auch sein, dass Jessica sich noch in der Wohnung befand. Wenn das auch nicht sehr wahrscheinlich sein mochte. Trotzdem, es war auf jeden Fall einen Blick ins Schlafzimmer wert. Außerdem – wo steckte eigentlich Beth Lansbury? Vielleicht hatte sie ja diese ganzen Leute umgebracht? Wäre schließlich kein Wunder bei so einer Psychopathin. Außerdem war das hier immerhin ihre Wohnung.
Sanchez betrat den Flur. Links entdeckte er noch eine weitere Tür. Das Bad? Er streckte die Hand nach der Klinke aus und hob die Waffe. Die Tür quietschte, als sie sich nach innen öffnete, und gab den Blick auf eine weiße Toilette frei. Sanchez, das große Ermittlergenie, schloss daraus, dass es sich tatsächlich um das Bad handelte. Hier gab es nicht das geringste Anzeichen für Gewalt. Er schaute vorsichtshalber noch einmal hinter die Tür, doch auch dort versteckte sich niemand.
Sanchez schlich nun auf Zehenspitzen zur Tür am Ende des Flurs. Sein Herz klopfte, und sein Atem ging stoßweise. Voller Angst vor dem, was ihn dahinter erwarten würde, holte er tief Luft und drückte die Klinke herunter. Er stieß die Tür auf und sprang zurück. Jetzt hatte er den Blick auf die gegenüberliegende, blau gestrichene Zimmerwand hinter dem Bett frei. Sanchez machte einen Schritt ins Zimmer hinein und spähte hinter die Tür. Es gab absolut nichts Ungewöhnliches zu entdecken. Das Bett war ordentlich gemacht, ansonsten befanden sich noch eine Kommode und ein Einbauschrank im Schlafzimmer. Mehr nicht. Hier schien sich nichts abgespielt zu haben, das Blutbad hatte allein im Hausflur und im Wohnzimmer stattgefunden. Mit einem Seufzer der Erleichterung steckte er die Pistole hinten in seinen Hosenbund, ging aus dem Zimmer und verschloss die Tür
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