Das Buch des Wandels
Metapher des Verpuppens verdanke) schreibt in seinem Bestseller »Simplify your life«:
»Viele Menschen bleiben Raupe, weil sie Angst vor der Veränderung haben. Sie wollen die Komfortzone nicht verlassen. Eine Raupe hat aber nur eine Chance, um Schmetterling zu werden: die große Krise, den kleinen Tod. Das Lebensziel erreicht nur, wer den Weg in die Dunkelheit wagt. Wer loslässt und sich verpuppt.«
Der Weg in die Dunkelheit. Loslassen. Wandel macht Angst, zumal wir nicht immer wissen können, wohin die Reise geht. Bei meinen Vorträgen, die sich mit dem Thema Zukunft befassen, kommt es immer wieder zum selben Punkt der ratlosen Stille im Raum. Viele teilen meine Analysen und Bilder der Zukunft. In welche Richtung sich unsere Gesellschaft, unsere Welt »objektiv« verändert – oder verändern sollte -, lässt sich ja durchaus plausibel beschreiben.
Völlig im Nebel erscheint hingegen, wie man dort hingelangt. Und die Fragen sind immer gleich:
Glauben Sie ernsthaft, dass Menschen sich verändern können?
Bleiben Menschen nicht immer die gleichen alten Urzeitmenschen,
jederzeit bereit, ihre Umwelt zu plündern und sich gegenseitig den Schädel einzuschlagen?
Muss es den Menschen nicht erst mal viel schlechter gehen, damit sie sich ändern?
Geschehen die Veränderungen heute nicht viel zu schnell, als dass wir etwas dabei zu sagen hätten?
Solche Fragen enthalten bereits ihre – meist negativen – Antworten. Bei der anschließenden Debatte gibt es immer zwei Fraktionen: die Alarmisten und die Stoiker. Die Alarmisten leben in einer Welt, in der alle Züge eigentlich längst abgefahren sind. Die »Menschheit« hat sich für den Weg in den Untergang entschieden; nichts (oder nichts, was man sich heute politisch zu fordern traut) kann sie davon abhalten, den Planeten zu verwüsten und danach die verseuchten Reste an ein internationales Gangstersyndikat auf dem Mond zu verkaufen. Diese angstgeführte und kulturpessimistische Weltsicht scheint heute Mehrheitsmeinung zu sein, im politischen Spektrum von ganz links bis ordentlich konservativ und auch in der Mitte.
Die andere Haltung kommt heiter-melancholisch daher: Redet ihr nur! Alles bleibt doch sowieso beim Alten! Vom Steinzeitmenschen bis zum Bewohner der modernen Fernsehhöhle hat sich im Grunde nichts geändert. Demokratie? Technologie? Kultur? Alles Trugbilder einer hybriden Selbstillusion, Kompensationen der Grundbedürfnisse: Essen, Sex und Macht. Es geht ums Überleben und sonst nichts. In diesem Spiel siegt mal die eine, mal die andere Fraktion. Aber im Grunde bleiben die Anteile etwa gleich.
Es gibt noch eine dritte Gruppe, ich möchte sie die »Wandelhektiker« nennen. Peter Sloterdijk hat in seinem Buch »Du musst dein Leben ändern!« eine zeitgemäße Parole dazu geliefert. In der Welt der Wandelhektik reagiert der Imperativ. Alles galoppiert in eine sensationell neue Zukunft, ein wahres Wunderland von Technik und Umwälzung, Drama und Potenz. Das Mantra lautet »noch nie« und »immer mehr«. Die Zukunft lässt keinen Stein auf dem anderen, sie fordert unsere ganze Kraft. Deshalb müssen
Menschen unentwegt enorme Anpassungsleistungen vollbringen, »Übungen in Unmöglichkeiten«, wie Sloterdijk formuliert . Der Fortschritt galoppiert, und es bleibt uns nichts übrig, als auf seinem Rücken akrobatische Verrenkungen zu vollziehen. Als würde am Eingang des magischen Welttheaters ein großes Schild mit folgendem Wortlaut hängen:
Achtung WANDELZWANG!
Wer sich nicht innerhalb von 24 Stunden radikal gründlich ändert, wird mit Einkommens- und Wohlstandsverlust, mit Unglück, Versagen und Minderwertigkeit bestraft!
Dieses Buch ist ein Diskurs über den Wandel in all seinen Facetten und Dimensionen: über gesellschaftlichen Wandel, ökonomischen, individuellen, kulturellen Wandel, mentalen Wandel. Wie hängt eines vom anderen ab? Unter welchen Bedingungen gelingt, unter welchen scheitert persönliche und kulturelle Evolution? Wann kommt es zu notwendigen Brüchen, Aufschwüngen, Überraschungen? Wie können wir die Regeln für das Gelingen von Wandlungsprozessen beschreiben? Wie biegsam ist Wandel?
Dabei ist es mir wichtig, dass wir zwischen Wandel und bloßer Veränderung unterscheiden. Veränderung ist ein externer Prozess, sie entsteht aus Zwängen, ökonomischen Prozessen oder technischen Trends, die »über uns kommen«. Diesen Prozessen können wir uns anpassen, aber das ist eine Zwangslösung, die uns weder glücklich macht noch
Weitere Kostenlose Bücher