Das Buch mit dem Karfunkelstein
fern!«
Gregor hatte energisch gesprochen, aber er hatte nicht damit gerechnet, dass die Wirkung auf Hildebert so heftig sein würde.
Als der hörte, dass es sich um Teufel handelte, wurde er wieder kreidebleich, fing an zu zittern und bekreuzigte sich.
Während Gregor versuchte, den Mönch zu beruhigen, betrachtete Paul die vier heidnischen Gelehrten. Sie erinnerten ihn an etwas,
das er vor Kurzem schon einmal gesehen hatte. Wie Gregor ihm geraten hatte, benutzte er seinen Verstand und dachte in Ruhe
darüber nach. Und als es ihm einfiel, fuhr ihm eine Gänsehaut über den Rücken.
Woran erinnern Paul die vier Gelehrten?
In tausend Stücken
Wie vor einer giftigen Spinne wich Paul vor dem Buch zurück. Wenn dieses Bild der Äbtissin stimmte, dann hatten Jakob und
er recht! Bei seiner hastigen Bewegung war er an einige Pergamentbögen gestoßen, die auf dem Tisch lagen, und sie fielen herunter.
Hildebert bückte sich, um sie aufzuheben. Paul drehte sich erschrocken um.
Und da lag es!
Das Buch mit dem Karfunkelstein lag einfach so auf dem Tisch, als wäre es nie weg gewesen! Die Pergamentbögen hatten es verdeckt.
Aufgeregt nahm Paul das Buch vom Tisch. Ja, kein Zweifel, das war das Buch seines Großvaters. Er drehte sich zu Gregor um,
der Hildebert mit den großen Bögen half und von der Entdeckung des Buchs noch nichts bemerkt hatte.
»Hier ist es!«, rief Paul freudestrahlend.
Gregor schaute überrascht auf. »Wo hast du es gefunden?«, fragte er erfreut.
»Es lag hier auf dem Tisch unter den Bögen!«
»Aber die habe ich doch heute Morgen erst dahingelegt, damit du sie nachher zuschneiden kannst!« Gregor schüttelte verblüfft den Kopf. »Gott sei Dank ist es wieder da!«
Paul wollte ihm das Buch reichen, da passierte es: Es rutschte ihm vor Aufregung aus den Händen und fiel auf den Boden! Der
Karfunkelstein zerbrach in tausend Stücke.
Hildebert schrie auf und die Schreiber stürzten wegen des Lärms herbei.
Paul blickte entsetzt auf die Scherben. Er war den Tränen nahe. Gerade hatte er noch gedacht, alles wäre wieder gut – und
jetzt?
»Entschuldigung!«, flüsterte er fassungslos. »Das wollte ich nicht.«
Aber Bruder Gregor blieb erstaunlich ruhig. Er hielt seine Brille vor die Augen, untersuchte den Schaden und schüttelte den
Kopf.
»Das macht nichts!«, sagte er. »Das ist nur Glas. Das war kein echter Edelstein. Die zerbrechen nicht so leicht.«
Das war nun wirklich zu viel für Paul.
»Aber mein Großvater hat den Buchdeckel mit einem echten Karfunkelstein verzieren lassen, das weiß ich!«, rief er aufgebracht.
»Das weiß ich auch«, antwortete Gregor so ruhig wie zuvor. »Es war sogar ein einzigartig schöner Stein. Diese Scherben hier
sind allerdings aus Glas. Aber sieh dir das an«, fügte er hinzu und zeigte auf eine Stelle der Fassung, die den Karfunkelstein
gehalten hatte. Paul konntewinzige Kratzspuren erkennen. Jemand hatte sich mit einem Messer daran zu schaffen gemacht!
»Der Dieb wollte nicht das Buch!«, flüsterte er. »Er wollte den Stein!«
»Richtig!«, nickte Gregor. »Und wer immer es war, er hat ihn genommen und gegen Glas ausgetauscht.«
Paul dachte fieberhaft nach. Ja, es war Zeit genug für das, was er vorhatte, er musste nur die Erlaubnis des Bibliothekars
bekommen.
»Kann ich das Buch mit in den Kräutergarten nehmen?«, bat er inständig. »Ich bringe es gleich wieder, ganz bestimmt. Ich brauche
es nur kurz!«
Gregor blickte Paul forschend an. Dann lächelte er. »Zur Kunst des Argumentierens gehören Freunde, mit denen man argumentieren
kann«, sagte er. »Nimm das Buch und geh zu ihnen. Ich hoffe, sie können dir helfen.«
Paul versank fast im Boden. Gregor durchschaute ihn so vollkommen, vor ihm konnte man offenbar keine Geheimnisse haben. Er
zögerte kurz, aber dann legte er entschlossen das Buch auf den Tisch, lief zu dem tiefen Regal an der Wand und zog die verklecksten
Pergamentbögen darunter hervor. Er legte sie auf den Tisch. Sie sahen furchtbar aus.
»Ich war vorgestern hier, weil ich die Bögen versteckt habe. Ich hatte Angst, dass ich nicht mehr hier arbeiten dürfte, wenn
ich so ungeschickt bin.«
Gregor betrachtete erst die Bögen und dann Paul mit ungläubigem Gesicht.
» Dafür
hast du die Beschuldigung auf dich genommen, ein Dieb zu sein?«, fragte er betroffen. »So etwas kann doch jedem passieren!«
»Aber man kann sie nicht mehr benutzen! Sie sind verdorben!«, rief Paul verzweifelt.
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