Das Buch Ohne Gnade: Roman
einige Knöpfe, damit die Tür sich wieder schloss. Jammerlappen.
Demnach passte der Bourbon Kid trotz allem auf ihn auf , dachte Julius. Er verließ die Kabine und drehte sich zu den drei überlebenden Wachmännern um.
»Danke«, sagte er lächelnd. »Das hat Spaß gemacht. Das sollten wir irgendwann wiederholen.« Die Türen schlossen sich und der Fahrstuhl setzte seinen Aufstieg fort. Julius wandte sich zum Bourbon Kid um.
»Ich wusste, dass du mich nicht im Stich lassen würdest. Gott wird dich dafür reich belohnen. Damit hast du es geschafft, dass dir die Hälfte deiner Sünden vergeben wird.«
Der Kid zog die Kapuze seiner Jacke herab, legte die linke Hand auf Julius’ Gesicht und presste brutal seine Wangen zusammen. »Ich bin nicht auf deiner Seite, Arschgesicht.«
»Vielleicht bist du es doch und weißt es nur noch nicht.«
»Niemals. Ich bin ziemlich sicher, dass ich es nicht bin.«
»Aber insgeheim wünschst du, du wärst es.«
Der Kid presste Julius’ Gesicht noch heftiger zusammen, dann hob er den Arm, holte den James-Brown-Imitator von den Füßen und hievte ihn von der Fahrstuhltür weg. Die beiden Männer befanden sich jetzt in der Mitte des Korridors und blickten einander in die Augen, wobei Julius’ Füße etwa fünfzehn Zentimeter über dem Fußboden schwebten.
»Hört gut zu, du Wichser«, sagte der Kid. »Ich will alles über dich wissen und weshalb du unbedingt dieses Wettsingen gewinnen willst. Ich habe diese Scheißzombies, die früher mal Sänger waren, draußen gesehen und vermute, dass du weißt, was es damit auf sich hat. Wie passt du in diese Geschichte? Und kannst du wirklich Judy Garland besiegen?«
»Okay …«, begann Julius. Ehe er fortfahren konnte, hob der Kid den Zeigefinger seiner rechten Hand, um ihn zum Schweigen zu bringen.
»Eine Sache noch«, sagte er mit seiner rauen Stimme. »Wenn du nur ein Wort aussprichst, von dem ich annehme, dass es nicht hundertprozentig der Wahrheit entspricht, breche ich dir deinenverdammten Hals. Denk gut darüber nach, ehe du irgendetwas sagst. Ein Wort. «
Julius schluckte krampfhaft. Er war im Begriff, den Mund zu öffnen, als abermals die Glocke des Fahrstuhls erklang. Er schaute nach links und sah, wie die stählernen Türen sich erneut öffneten. Die drei Wachmänner waren sofort wieder abwärts gefahren und wollten die Kabine verlassen. Ihre Gesichter zeigten den gleichen geschockten Ausdruck, als sie Julius und den Kid mit der Leiche des vierten Wachmanns zu ihren Füßen immer noch im Korridor entdeckten. Der Kid wandte langsam den Kopf, um sie zu fixieren. Es war ein unbehaglicher Moment, als die drei seinen Blick erwiderten und begriffen, dass sie ein wenig zu überstürzt heruntergekommen waren. Der Mann, der dem Tastenfeld am nächsten stand, drückte sofort auf einen der Knöpfe und die Türen schlossen sich wieder.
Der Kid konzentrierte sich wieder auf Julius und zog sein Gesicht ganz dicht zu sich heran. »Wenn du noch am Finale teilnehmen willst, dann fang gefälligst an zu reden.«
ZWEIUNDFÜNFZIG ♦
Endlich fand auch Nigel Powell Gefallen an dem, was sich auf der Bühne tat. Emilys Interpretation von »Over The Rainbow« war sogar noch besser als die, mit der sie in der Vorrunde aufgetreten war. Mit dem Orchester als Begleitung war sie hervorragend und wurde mit jedem Wort, das sie sang, besser.
Im Zuschauerraum war kein leerer Sitzplatz mehr zu finden. Niemand suchte die Toilette auf. Niemand verdrückte sich zu einem späten Drink in die Bar. Niemand schlich sich hinaus, um eine Zigarette zu rauchen. Das gesamte Publikum blieb während des gesamten Songs völlig still, da es nicht eine Sekunde davon versäumen – oder, schlimmer noch, verderben – wollte. Im Gegensatz zu den stürmischen Auftritten der anderen Konkurrenten, die die zuhörer von ihren Sitzen gerissen und sie auf den Gängen zum Mitsingen und Tanzen animiert hatten, war dies etwas, das man in Ruhe genießen musste. Gebannt saßen die Zuschauer auf ihren Plätzen und erfreuten sich an der Schönheit von Emilys Stimme. Ihre Eleganz und Anmut erstrahlte in einem Wettbewerb, der, in Powells Augen, durch eine Reihe von geschmacklosen Ausrutschern beeinträchtigt worden war. Neben anderem von Janis Joplins Flüchen, Elvis’ Hüftschwüngen, Jackos Gesang-und-Tanz-Gehampel und Julius’ Versuchen, alle anderen Finalisten umbringen zu lassen. Endlich hatte die Bühne jemandem gehört, der sich keinerlei Requisiten oder Schaumschlägereien
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