Das Buch Ohne Gnade: Roman
müsste sein Glück mit dem Fahrstuhl versuchen, der sich am anderen Ende des Saales befand. Noch hatte man ihn nicht entdeckt, daher begann er, sich allmählich in diese Richtung zurückzuziehen, wobei er darauf achtete, dass die Zuschauer am Roulettetisch sich ständig zwischen ihm und dem Eingang befanden.
Je näher er dem Fahrstuhl kam, desto geringer wurde das Gedränge und desto größer die Gefahr, dass er entdeckt und erkannt wurde. Am Ende müsste er wohl durchstarten, jedoch ohne die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, indem er den Eindruck erweckte,als ergriffe er die Flucht. Er entschied sich für eine schnellere Gangart, allerdings mit kurzen Schritten, was vermutlich reichlich lächerlich aussah, aber das war die geringste seiner Sorgen. Als er die Fahrstuhltür erreichte, drückte er auf den Knopf in der Wand, der den Fahrstuhl rief. Er wagte es nicht, sich umzudrehen, um festzustellen, ob die Wachmänner ihn bereits entdeckt hatten.
Der Fahrstuhl brauchte eine halbe Ewigkeit, um dem Rufzeichen zu folgen. Immer wieder drückte Julius auf den Knopf und murmelte dabei: »Komm schon, komm schon!« Er konnte hinter der Wand die Motoren hören. Sie klangen altersschwach, aber schließlich verstummte das müde Knirschen. Ein überlauter Glockenton erklang und die stählernen Türhälften glitten langsam auseinander. Julius schoss hinein und streckte die Hand nach dem Tastenfeld an der Fahrstuhlwand aus. Er drückte auf den ersten Knopf, den sein Finger fand und der zum zehnten Stock gehörte. Dann presste er sich so gut es ging an die Seitenwand der Fahrstuhlkabine, damit er von den vier Sicherheitswachmännern nicht gesehen wurde.
Nach einer weiteren halben Ewigkeit begannen die Türen sich langsam zu schließen. Mit jedem Zentimeter, den sie aufeinander zu glitten, nahm seine Erleichterung zu. Er würde es wohl schaffen. Aber als die Türhälften nur noch drei oder vier Zentimeter voneinander entfernt waren, erschien eine Hand im Spalt. Eine große Hand, deren Rücken mit gekräuselten schwarzen Haaren bewachsen war. Er war geliefert. Die Türen glitten wieder auf und ein hochgewachsener weißer Mann in schwarzer Uniform und mit Bürstenhaarschnitt betrat die Kabine.
»Julius, nehme ich an?«, sagte er.
Julius gab keine Antwort. Drei weitere Wachmänner folgten ihm in den Fahrstuhl. Der erste der Männer streckte die Hand nach dem Tastenfeld aus und drückte auf den Knopf fürs Erdgeschoss. Dann schaute er auf Julius herab und lächelte.
»Ich hoffe doch, dass du deinen Eimer und deine Schaufel mitgebrachthast, mein Freund. Wir machen nämlich einen kleinen Ausflug in die Wüste. Und da draußen ist es ziemlich sandig.«
Während sich die Tür hinter den vier Männern schloss, wurde es Julius bang ums Herz. Der Mann, der auf den Erdgeschossknopf gedrückt hatte, legte einen Arm um seine Schultern, drückte ihn an sich und zog ihn in die Mitte der Fahrstuhlkabine.
»Warum so niedergeschlagen, Kumpel?«, fragte er. Seine drei Gefährten kicherten. Julius haderte mit seinem Schicksal. Wie zur Hölle sollte er sich aus diesem Schlamassel befreien?
Der Fahrstuhl stieg zum Erdgeschoss hoch und ließ seinen obligatorischen Glockenton erklingen, um seine Ankunft zu signalisieren. Die Türen glitten auf und Julius sah im Korridor vor dem Fahrstuhl einen Mann stehen. Er war der Kabine zugewandt und hatte den Kopf gesenkt. Seine Kleidung war dunkel und er hatte sich eine Kapuze über den Kopf gezogen, die sein Gesicht verbarg. Trotzdem hatte Julius keine Schwierigkeiten, ihn auf Anhieb zu erkennen.
Einer der Wachmänner trat aus der Kabine und musste es sofort bereuen. Der Bourbon Kid packte ihn, riss ihn herum und bog ihm den rechten Arm auf den Rücken. Ein lautes Knacken ertönte. Ehe der Wachmann einen Laut von sich geben konnte, drehte der Kid ihn zurück und ließ die Kante seiner freien Hand auf die Stirn seines Gefangenen krachen, sodass sein Kopf ruckartig nach hinten wegknickte.
Ein weiteres, erheblich lauteres Knacken war die Folge.
Der Kid ließ den Körper des Mannes achtlos zu Boden fallen. Dann ließ er seinen Blick zwischen den anderen drei Wachmännern in der Kabine hin und her wandern. Ihr Elan und ihre Selbstsicherheit hatten sich augenblicklich verflüchtigt.
»Will noch jemand auf dieser Etage aussteigen?«, fragte er mit seiner typisch unangenehmen, rauen Stimme.
Julius verfolgte, wie alle drei Männer zurückwichen und kapitulierend die Hände hoben. Einer von ihnen drückte auf
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