Das Buch Von Ascalon: Historischer Roman
vielleicht hätte ich ihm auch noch den Rest meines Besitzes vermachen sollen, denn er wäre seiner allemal würdiger als du.«
» Renald!«, rief Eleanor entrüstet.
»Es ist die Wahrheit«, beharrte der Baron. »Ich habe einst große Hoffnungen in dich gesetzt, Guillaume, als meinen Nachkommen und Erben. Aber in diesen Tagen sehe ich, was ich für ein Narr gewesen bin, wenn schon ein gemeiner Soldat mehr Edelmut im Herzen hat, als du jemals besitzen wirst.«
»W arum liegt Euch so viel daran, mich zu erniedrigen, Vater?«, fragte Guillaume mit nur mühsam zurückgehaltenem Zorn. Dass der Baron einen hergelaufenen Gemeinen seinem eigenen Sohn vorzog, machte ihn rasend vor Wut und Eifersucht.
»Ich habe dich nicht erniedrigt. Das hast du ganz allein getan, zusammen mit deiner Mutter«, fügte er an Eleanor gewandt hinzu. »Eure Falschheit und euer Ehrgeiz haben uns hierhergebracht und dafür gesorgt, dass wir Kaktusnadeln kauen und unsere eigene Pisse saufen. Eine schlimmere Erniedrigung kann ich mir nicht vorstellen.«
»Und wenn schon!«, begehrte Guillaume auf, so laut, dass es vermutlich auch außerhalb des Zeltes zu hören war, aber er scherte sich nicht darum. Er hatte es satt, sich all die Vorwürfe, die Herabsetzungen und Beleidigungen anzuhören, an denen es seinem Vater niemals zu gebrechen schien. »Glaubt Ihr nicht, dass unsere Ziele diese Opfer wert sind? Mir werft Ihr vor, feige und mutlos zu sein, dabei seid Ihr es selbst, der die Strapazen scheut und sich fortwährend beschwert.«
»Sei vorsichtig, was du sagst«, zischte de Rein.
»Das war ich lange genug, aber ich werde nicht länger schweigen und Eure Ungerechtigkeit ertragen. Wäre es Euer Ansinnen gewesen, sich an diesem Feldzug zu beteiligen, würdet Ihr die Entbehrungen widerspruchslos hinnehmen. So aber leugnet Ihr selbst die Erfolge, die wir errungen haben.«
»W as für Erfolge?«
»Trotz aller Strapazen geht der Vormarsch nach Süden rasch vonstatten, und unser Sieg vor Dorylaeum scheint auf die Türken einen solch tiefen Eindruck hinterlassen zu haben, dass s ie vor uns die Flucht ergreifen und sich seither nicht ein einziges Mal zum Kampf gestellt haben.«
»Das brauchen sie nicht. Das Land führt den Krieg für sie.«
Guillaume holte keuchend Luft und suchte nach weiteren Argumenten, aber es fielen ihm keine ein. Wie leid er es war, sich vor seinem Vater zu rechtfertigen! In seiner ohnmächtigen Wut ruckte seine Hand kaum merklich in Richtung des Dolchs an seinem Gürtel – dem Baron jedoch blieb die Bewegung nicht verborgen.
»Nur zu«, forderte er ihn auf, erhob sich von seinem Hocker und trat auf Guillaume zu. »Gib mir einen Grund, meine Klinge zu ziehen – ich schwöre, dass ich nicht zögern werde, es zu tun.«
»Nein!« Mit einem entsetzten Ausruf stürzte Eleanor aus dem Nebenraum und stellte sich vor ihren Sohn, die Arme schützend ausgebreitet. »Seid Ihr von Sinnen? Renald, ich beschwöre Euch!«
De Rein, dessen Hand zwar auf dem Schwertgriff lag, der jedoch keine Anstalten unternommen hatte, die Waffe zu zücken, lachte leise. »Ist das deine Vorstellung von Tapferkeit, Guillaume? Dich wie ein Säugling im Schoß der Mutter zu verkriechen?« Er schüttelte den Kopf. »Geh mir aus den Augen.«
Es wurde still im Zelt.
Schweigend standen sie einander gegenüber, Mutter und Sohn auf der einen, der Baron auf der anderen Seite. Wut, Verachtung, Hass und Furcht ballten sich unter dem Zelt wie ein Ungewitter an einem schwülen Sommertag, das sich durch fernen Donner angekündigt hatte und nun reif war, sich zu entladen.
Aber es kam nicht dazu.
Abrupt wandte sich Guillaume ab und stürzte aus dem Zelt.
Er wusste selbst nicht, ob es taktische Erwägung war, die ihn flüchten ließ, oder die Furcht vor der Konfrontation, nur eines war ihm klar: dass er weg wollte von diesem Mann, aus d essen übermächtigem Schatten er sich einfach nicht lösen konnte.
Zu Beginn des Feldzugs waren die Verhältnisse noch klar gewesen: Guillaume und seine Mutter hielten das Heft des Handelns in den Händen, während der Baron zur willenlosen Spielfigur verkommen war. Doch dies hatte sich geändert. Mit derselben Mischung aus Rücksichtslosigkeit und Loyalität, die ihn schon in England zu einem wohlhabenden Mann gemacht hatte, war er wiederum dabei, sich die Gunst der Fürsten zu erschleichen, besonders jene des Italiers Bohemund – und Guillaume merkte, wie ihm die eben erst gewonnene Kontrolle bereits wieder zu entgleiten
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