Das Buch Von Ascalon: Historischer Roman
Schärfe eingebüßt.«
»V erzeiht, mein Fürst. Das lag nicht in meiner Absicht.«
»Ich weiß, Armenier. Du bist ein Freund offener Worte, anders als diese Speichellecker von Hofbeamten und Beratern, die mich umgeben. Schon mein Vater wusste deine Wahrheitsliebe zu schätzen, sonst hätte er dir die Zunge wohl längst herausgeschnitten.«
»Das ist anzunehmen«, gab Bahram zu.
» Auch ich schätze ein offenes Wort, deshalb gestehe ich ein, dass deine Vermutung richtig ist. Es geht mir nicht darum, diesem verräterischen Narren Yaghi zu Hilfe zu kommen – von mir aus könnten die Barbaren seine Stadt niederbrennen und sein gesamtes Herrschaftsgebiet in Schutt und Asche legen, es wäre mir gleichgültig. Aber sein Hilferuf, mein guter Bahram, ebnet mir den Weg nach Antiochia. Gelingt es mir, es vor dem Zugriff der Franken zu bewahren, so werde ich mich ohne Schwierigkeit zum Herrscher der Stadt aufschwingen können. Und habe ich erst Antiochien und Damaskus unter meiner Gewalt vereint, so ist mir die Vormachtstellung über ganz Syrien sicher.«
Bahram war überrascht. Duqaqs Ehrgeiz war schon immer ausgeprägt gewesen, und so verwunderte es nicht, dass er die sich bietende Gelegenheit zu seinen Gunsten nutzen wollte. Ambitionen wie diese jedoch, die sich auf ganz Syrien bezogen, waren neu und ließen erstmals das Erbe seines Vaters durchblicken.
Die Vorteile einer solchen Politik waren allerdings offensichtlich. In der Vergangenheit hatten die Stadtherren Syriens sich in nicht enden wollenden Machtkämpfen gegenseitig zermürbt, während im Süden die Bedrohung durch den Kalifen von Kairo immer größer geworden war. Ein starkes, vereintes Syrien würde Frieden und Sicherheit bedeuten und in der Lage sein, sowohl dem Kalifat als auch den Eroberern aus dem Norden die Stirn zu bieten.
»W ie kann ich Euch helfen, Herr?«, fragte Bahram.
»Kannst du dir das nicht denken?«
»Ich hege einen Verdacht.«
»Und?«
Bahram seufzte, fügte sich in das Unausweichliche. »Ich habe Eurem Vater viele Jahre treu gedient, Herr. Er war es, der einem Namenlosen ein ehrenvolles und ruhmreiches Leben ermöglichte. Ich habe es ihm vergolten, indem ich ihm treu zur Seite stand und gegen seine Feinde kämpfte. Nach dem T od Eures Vaters glaubte ich daher, dass die Tage des Kampfes für mich zu Ende seien – doch wenn Feinde das Sultanat bedrohen, bin ich bereit, das Schwert erneut zu erheben.«
»Nichts anderes habe ich erwartet«, sagte Duqaq mit wissendem Lächeln. »Doch ich muss wissen, ob ich deiner Loyalität in diesem Fall ganz sicher sein kann, Bahram al-Armeni.«
»Das könnt Ihr, Herr.«
»Auch wenn es gegen Christen geht?« Die grünen Augen des Fürsten musterten ihn prüfend. »Du weißt, dass dein Irrglaube nie eine Rolle gespielt hat, weder unter meinem Vater noch unter meiner Herrschaft. Dennoch muss ich mir gewiss sein, dass du für die Kreuzfahrer am Ende nicht doch größere Zuneigung hegst als für deinen Landesherrn, der Allahs Diener und Zeuge ist.«
»Das wird nie geschehen, mein Fürst«, versicherte Bahram ohne Zögern. »Mögen jene Angreifer sich auch Christen nennen – in Wirklichkeit verraten sie alles, was der Herr sie gelehrt hat, und sind nichts weiter als ungebildete Barbaren, deren einziges Ansinnen die Zerstörung ist. Mein Platz, Herr«, fügte er mit fester Stimme hinzu, wobei er die linke Hand auf die Scheide und die rechte auf den Griff seines Schwertes legte, »ist hier bei Euch, so wie er einst bei Eurem Vater war.«
Statt zu antworteten, taxierte Duqaq ihn weiter, wobei nicht zu erkennen war, was der Emir von Damaskus dachte.
»Gut«, sagte er schließlich, ohne seinen Blick zu wenden oder ihn auch nur etwas abzumildern. »Dann ernenne ich dich hiermit zum Oberbefehlshaber der askar .«
»Mein Fürst?«
»Du hast verstanden, Bahram. Meine Entscheidung ist getroffen.«
Einmal mehr hatte Duqaq die Überraschung auf seiner Seite. Der askar genannte Teil des Heeres stellte die besten Kämpfer des Fürsten und setzte sich zum größten Teil aus ghulam zusammen, gepanzerten Reitern, die einst Sklaven gewesen waren und sich im Kriegsdienst Respekt und Anerkennung v erdient hatten. Die meisten von ihnen waren, ihrer Herkunft ungeachtet, zum Islam übergetreten, sodass die Berufung eines armenischen Christen zu ihrem Anführer zumindest sonderbar war.
»Darf ich Euch etwas fragen, Herr?«
Wieder spielte das rätselhafte Lächeln um Duqaqs Züge. »Natürlich.«
»W arum beruft Ihr
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