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Das Buch Von Ascalon: Historischer Roman

Das Buch Von Ascalon: Historischer Roman

Titel: Das Buch Von Ascalon: Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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sichtlich schwer, von diesen Dingen zu erzählen, womöglich tat sie es zum ersten Mal. »Einige Fässer im Lagerhaus waren nicht gesichert«, fuhr Chaya fort. Ihr Redefluss beschleunigte sich, als wäre der Schmerz auf diese Weise leichter zu ertragen. »Ein Stapel stürzte ein und begrub meine Mutter unter sich. Sie war tot, noch ehe mein Vater und seine Lagerarbeiter sie erreichen konnten.«
    »Mein Gott«, sagte Conn nur.
    Ein undeutbares Lächeln, das jeder Freude entbehrte, huschte über ihre anmutigen Züge. »Genau das war es, was auch mein Vater dachte«, sagte sie. »Er sah darin ein Zeichen, das der Herr ihm gesandt hatte, eine Strafe für seine Verfehlungen auf Erden.«
    »Und Ihr?«
    Chayas Augen füllten sich mit Tränen. »Ich weiß es nicht. Ich glaube daran, dass Gott bei uns ist und dass es für jeden von uns eine feste Bestimmung gibt – aber weshalb lässt er solches Unrecht geschehen?«
    Conn nickte. »Diese Frage habe ich mir auch oft gestellt.«
    »Und? Habt Ihr eine Antwort gefunden?«
    »Nein«, gab Conn freimütig zu. »Aber Herr Baldric ist davon überzeugt, dass all dies Prüfungen sind, die uns auf die Probe stellen sollen. Und dass wir vor Gott nur Vergebung erlangen können, wenn wir diese Prüfungen bestehen.«
    »Auch mein Vater dachte so. Er fühlte sich verantwortlich für den Tod meiner Mutter und glaubte, dass die Mission, die er zu erfüllen hätte, seine Sühne sei.«
    »Mission?«, hakte Conn nach.
    Chaya schaute ihn betroffen an. Sie schien selbst überrascht zu sein, das Wort gebraucht zu haben, und für einen Augenblick sah es so aus, als wollte sie noch etwas hinzufügen. »Es i st nicht wichtig«, erklärte sie jedoch dann. »Es war ihm nicht vergönnt, seine Aufgabe zu Ende zu bringen – hat er nun seinen Frieden gefunden?«
    »Ich wünsche es ihm. So wie ich auch Baldric wünsche, dass er seinen Frieden finden wird.«
    »Und Ihr?«
    »W as meint Ihr?«
    »Ist der Tod Eurer Geliebten der Grund dafür, dass Ihr Euch dem Feldzug angeschlossen habt? Sucht auch Ihr Vergebung zu finden?«
    Conn zögerte. Als Baldric einst dieselbe Vermutung äußerte, hatte er noch entschieden widersprochen – vielleicht auch nur deshalb, weil er nicht bereit gewesen war, eine Wahrheit anzuerkennen, die aus dem Mund eines Normannen kam. Inzwischen jedoch war er sich nicht mehr ganz so sicher. Zwar hatte er damals kaum eine andere Wahl gehabt, als auf Baldrics Angebot einzugehen, aber inzwischen war ihm klar geworden, dass er sich tatsächlich schuldig fühlte. Und dass er nur in jenen seltenen Augenblicken inneren Frieden gefunden hatte, in denen er das Gefühl gehabt hatte, dass Gottes Gnade auf ihm ruhte.
    Damals in Rouen, als Berengar gesprochen hatte.
    In Genua, als er Chaya zum ersten Mal begegnet war.
    In jener Nacht vor Tarsus, als er sie in ihrem Zelt aufgesucht und versucht hatte, ihr ein wenig Trost zuzusprechen.
    Und jetzt, in diesem Augenblick.
    Es war nicht zu leugnen, dass in den meisten Momenten, da Conn die Nähe des Herrn zu fühlen glaubte, auch Chaya nicht fern gewesen war, geradeso, als ob Gott seine Schritte in ihre Richtung gelenkt und ihre Schicksale miteinander verknüpft hätte – und das, obschon Conn ein Christ und sie eine Jüdin war.
    Trotz allem, was sie trennen mochte, gab es Gemeinsamkeiten: Wie Chaya war auch Conn gezwungen gewesen, die alte Heimat zu verlassen; wie sie fühlte er sich einsam und e ntwurzelt und hatte tiefen Schmerz erlitten. Ihre gegenseitige Nähe spendete beiden Trost und ließ sie die Welt und sich selbst mit anderen Augen sehen.
    Conn erwiderte nichts auf ihre Frage, aber er nickte stumm, und allein darin lag eine Befreiung.
    Der Schmerz dauerte noch immer an und würde vielleicht niemals ganz verschwinden, aber Conn hatte nicht mehr das Gefühl, daran zugrunde gehen zu müssen. Licht brach in die Düsternis seiner Gedanken, und er wusste, dass er dies einzig der jungen Frau zu verdanken hatte, die schweigend neben ihm herritt.
    Eine Woge der Zuneigung erfasste ihn, und noch ehe er recht begriff, was er tat, beugte er sich zu ihr hinüber und ergriff ihre Hand. Sie unternahm nichts dagegen und ließ ihn gewähren, was ihn dazu ermutigte, ihre Hand an seine Lippen zu führen, um sie in einer Geste der Verbundenheit zu küssen.
    »W as … was tut Ihr?«
    Mit einem Ruck zog sie ihre Hand zurück, und als er sah, wie sie errötete, schalt er sich einen elenden Narren.
    »Chaya, ich …«
    »Schon gut«, sagte sie nur und blickte stumm

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