Das Buch Von Ascalon: Historischer Roman
erzeih«, erwiderte Bertrand eingeschüchtert. »Ich wollte dich nicht gegen mich aufbringen.«
»Das Zeichen, von dem ich sprach, ist eine Mahnung Gottes«, erklärte Baldric, nun ein wenig ruhiger. »Der Herr tadelt uns für die Trunksucht und die Völlerei, die hier im Lager Einzug gehalten haben. Und er erinnert uns an den Eid, den wir geleistet haben.«
»Glaubt Ihr denn, dass wir Jerusalem noch erreichen können?«, fragte Berengar. Es lag keinerlei Provokation in der Frage, dennoch hätte ein anderer sie wohl nicht stellen dürfen.
»W ir müssen«, war Baldrics prompte, aber keineswegs überzeugende Antwort. »W ir alle haben große Opfer gebracht, haben so hart gekämpft und so viel geleistet – all das darf nicht vergeblich gewesen sein. Gott wollte, dass wir uns auf diesen Pfad begeben, folglich wird Er uns auch führen.«
»So ist es«, bekräftigte Berengar ernst.
»Tatsächlich, Pater?«, fragte Bertrand skeptisch. »Sagtet Ihr nicht, Ihr würdet vieles anders sehen als noch zu Beginn der Unternehmung?«
»Ich bin nicht mehr der, der ich einst war«, stimmte der Mönch zu und schaute reihum, »aber das dürfte auf jeden von uns zutreffen, nicht wahr? Wir alle haben in diesem zurückliegenden Jahr Dinge gesehen und Erfahrungen gemacht, die uns verändert haben. Aber das bedeutet nicht, dass ich meinen Glauben verloren hätte oder das Vertrauen in den Herrn. Der A llmächtige prüft uns, indem Er uns derlei Prüfungen unterzieht, so viel ist gewiss.«
Conn, der neben Berengar saß und in die Flammen starrte, lachte bitter auf. Hatte nicht Chayas Vater eine ganz ähnliche Formulierung gebraucht? Waren nicht auch Juden überzeugt, dass der Herr ihren Glauben prüfte? Woher rührten dann die Unterschiede? Wieso war es nicht möglich, dass ein Christ und eine Jüdin zueinander fanden?
Conn hatte alles versucht.
Mit allen Mitteln hatte er sich auf andere Gedanken zu bringen versucht; er hatte den Kampf zu Fuß und zu Pferd trainiert, hatte sich freiwillig zu Erkundungsritten und zum Dienst auf Burg Malregard gemeldet, hatte seine Studien der lateinischen Sprache fortgesetzt – doch er hatte Chaya nicht vergessen können.
Seit jenem Morgen, da sie sich heimlich davongeschlichen hatte, ohne ein Wort des Abschieds, war kein Tag vergangen, an dem er nicht an sie hatte denken müssen, an ihre Liebe, an die Wärme und den Trost, den er in ihrer Gegenwart empfunden hatte. Und obschon er sich sagte, dass sie seine Zuneigung nicht verdiene, schmerzte die Einsicht, dass sie sich von ihm abgewandt hatte, auch noch nach all den Wochen.
Während seine Freunde sich am Feuer weiter unterhielten, erhob er sich und ging nach draußen. Kalte Nachtluft empfing ihn außerhalb des Zeltes, sein Atem wurde zu weißem Dampf.
»Seht nach ihm, Berengar, ich bitte Euch«, hörte er Baldric drinnen sagen. »V ielleicht vermag geistiger Beistand seinen Schmerz ein wenig zu lindern.«
Es kam keine Antwort, aber die Eingangsplane wurde beiseitegeschlagen, und kein anderer als der Benediktiner trat daraus hervor. Seine wollene Robe schützte ihn besser vor der Kälte als die Umhänge der Soldaten, dennoch schlug er die Kapuze hoch, um sein schütteres Haupt zu bedecken.
»Kalt«, sagte er nur.
Conn nickte.
» W illst du reden, Conwulf?«
Conn schnitt eine Grimasse. »W as wollt Ihr tun, Pater? Mir die Beichte abnehmen?«
»Der Zeitpunkt wäre günstig gewählt. Zu den Hochfesten pflegt der Herr manche Bitte zu erfüllen, wenn sie lauteren Herzens geäußert wird.«
»Nicht meine Bitte.«
»Es kommt darauf an, Junge. Wenn es dir darum geht, sie nur baldmöglichst wieder in deine Arme zu schließen, wird der Herr dir dein Anliegen sicher verweigern. Wenn du hingegen um Vergebung ersuchst und um Vergessen …«
»Ich kann sie nicht vergessen«, erklärte Conn kopfschüttelnd. »Und ich will sie auch nicht vergessen.«
»So sehr hat sie dich mit ihren Reizen umgarnt?« Berengar wirkte bekümmert. »Dabei hat sie sich in jener Nacht davongestohlen, ohne sich zu verabschieden oder auch nur eine Nachricht zu hinterlassen …«
»Ich weiß, und je länger ich darüber nachdenke, desto weniger verstehe ich es. Es muss einen Grund für Chayas Verhalten geben. Womöglich wurde sie dazu gezwungen.«
»Glaubst du das wirklich?« Berengar schüttelte den Kopf. »Nein, Junge. Die Wahrheit ist sehr viel einfacher. Der Jüdin ist es nur darum gegangen, dich zu verführen und zu verderben, so wie es die Art ihres Geschlechts und
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