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Das Buch Von Ascalon: Historischer Roman

Das Buch Von Ascalon: Historischer Roman

Titel: Das Buch Von Ascalon: Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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einfach nicht gerecht geworden war. Nun jedoch zu erfahren, dass de Rein in Wahrheit nicht sein leiblicher Vater war, erfüllte ihn mit grimmiger Genugtuung.
    Es lieferte eine plausible Begründung für all die Demütigungen, die er über sich hatte ergehen lassen müssen, und er musste die Schuld dafür, dass ihm jede Anerkennung versagt geblieben war, nicht mehr länger bei sich selbst suchen. Im Gegenteil, er war in all den Jahren einem Schatten nachgejagt, er hatte um die Zuneigung eines Mannes gerungen, der sie ihm nie würde geben können, schon deshalb nicht, weil Guillau m es bloße Existenz ein Stachel in Renald de Reins Fleisch war, ein Makel, der ihn stets an seine eigene Unzulänglichkeit und an das Versagen im Bett seiner Gattin erinnerte.
    »Das ist noch nicht alles«, fuhr Eleanor leise fort. »Nun, da ich meinen Eid um deinetwillen gebrochen habe, sollst du alles erfahren.«
    »W as noch?«, fragte Guillaume innerlich bebend. Waren es noch nicht genug der Enthüllungen?
    »W ie du weißt, hat Osbert de Rein vor acht Jahren bei einem Jagdunfall das Leben verloren. Er stürzte in eine Schlucht, ein tragisches Unglück, wie es hieß.«
    Guillaumes kantige Züge strafften sich, so als müsse er sich für diese letzte Wahrheit wappnen. »Und?«
    »Es war kein Unfall. Renald de Rein hat deinen Vater ermorden lassen.«
    Guillaume sog scharf nach Luft. »Seid Ihr sicher?«
    »Ja, Sohn. Er wollte verhindern, dass Osbert jemals sein Schweigen brechen und ihm damit die Führerschaft streitig machen könnte. Aus diesem Grund hat er ihn getötet.«
    Guillaumes Blick war starr geradeaus gerichtet, seine Kieferknochen mahlten. Die Furcht, die er von jeher vor Renald de Rein empfunden hatte, schlug in puren Hass um. Nicht mehr länger brauchte er um die Anerkennung dieses Mannes zu buhlen, nun, da er wusste, was dieser getan hatte und wessen Blut an seinen Händen klebte.
    Guillaumes Rechte glitt an den Griff seines Schwertes, und er wollte aus dem Zelt zu stürmen und den Betrüger, der sich als sein Vater ausgegeben hatte, für sein Verbrechen zur Rechenschaft ziehen. Doch Eleanor hielt ihn zurück. »Nein, Guillaume«, sagte sie mit respektgebietender Stimme.
    »Lasst mich, Mutter«, entgegnete er und versuchte, sich aus ihrem Arm zu lösen, der sich schlangengleich um ihn gewunden hatte. »Ich muss ihn bestrafen. Nach all den Jahren …«
    »Er wird seine Strafe erhalten, und du wirst deine Rache bekommen. Aber nicht heute, hörst du?«
    » W arum nicht?«
    »W eil es töricht wäre, sein Leben für etwas zu riskieren, das wir auch einfacher haben können. Die Zeit arbeitet für uns, Guillaume, du magst es glauben oder nicht. Noch mögen diese Narren dort draußen im Überfluss schwelgen, aber der Winter steht vor der Tür, und Hunger und Mangel werden erneut im Lager einkehren. Die Menschen werden nach Erlösung rufen, und dann wirst du zur Stelle sein. Renalds Einfluss jedoch wird schwinden, und dann, mein über alles geliebter Sohn, wird der Augenblick der Rache gekommen sein. Bis dahin jedoch behalte dein Wissen für dich, hast du gehört?«
    Guillaume gehorchte nicht sofort.
    Noch einen Augenblick lang versuchte er, sich von seiner Mutter loszureißen. Dann sank er in die Umarmung, die sie ihm bereitwillig darbot, und vergoss bittere Tränen.

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20.
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    Heerlager vor Antiochia
24. Dezember 1097
    Weihnacht.
    Um wie vieles anders war der Klang dieses Wortes hier in der Fremde. Eine seltsame Melancholie hatte von Conn Besitz ergriffen, seit die Glocken der Feldkirche zum Gebet gerufen hatten.
    Der Bischof von Le Puy, der als päpstlicher Legat die Unternehmung begleitete, hatte selbst die Messe gehalten, mit der die Kreuzfahrer der Christnacht gedachten. Obschon sich infolge des jähen Wintereinbruchs Engpässe in der Versorgung eingestellt hatten, versuchten die meisten Edelleute, ihren Familien und Vasallen ein üppigeres Nachtmahl zu bieten als an gewöhnlichen Tagen.
    Auch Baldric war es gelungen, ein Stück Ziegenfleisch zu beschaffen, und zusammen mit den Rüben, die Berengar erbettelt, und mit dem Hasen, den Bertrand ein Stück außerhalb des Lagers erlegt hatte, ergab sich ein Festessen, wie die Männer es lange nicht mehr genossen hatten. Doch weder das wärmende Wohlgefühl, das von einem gefüllten Magen ausging, noch die flammende Predigt, die Bischof Adhémar während der Mette gehalten hatte, konnten die dunklen Schatten vertreiben, die sich über das christliche Heer gelegt hatten und die

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