Das Buch Von Ascalon: Historischer Roman
– seltsamerweise lag aber auch etwas Vertrautes in ihrem Blick.
»W er bist du?«
Der Gefangene spuckte aus. Eine Antwort blieb er jedoch schuldig.
»Sprich«, ermahnte Conn ihn und verstärkte den Druck hinter der Klinge. »W illst du wohl reden, oder ich …«
»Mein Name ist Caleb Ben Ezra«, kam die Antwort zischend. »Ich bin Chayas Cousin.«
Chaya!
Conn stand wie vom Donner gerührt. Er begriff, dass es nicht Chaya gewesen war, die im Lager nach ihm gefragt hatte, sondern dieser junge Mann, der offenbar seinen Tod wollte – aber warum?
»W as hat das zu bedeuten? Wo ist Chaya? Und wie geht es ihr?«
»Es geht ihr gut, Christenhund! Trotz allem, was du ihr angetan hast!«
»W as ich ihr angetan habe?«
»Du hast es gestohlen … das Buch! Das Buch von Ascalon!«
»W as?« Conn verstand kein Wort.
»Das Buch! Es ist verschwunden«, stieß der andere hervor. »Nur ein wertloses Pergament ist in dem Köcher gewesen. Mein Vater war außer sich vor Zorn! Um ein Haar hätte er Chaya verstoßen.«
Conn schüttelte den Kopf. »Ich verstehe nicht.«
»Die ganze Zeit über hatte sie das Buch bei sich, nur nicht in jener Nacht, in der du sie verführt und ihre Ehre beschmutzt hast, du elender Hund. Du hast es geraubt!«
Conn begriff endlich, dass es um das Geheimnis gehen musste, das Chaya gehütet hatte, um jenen ledernen Behälter, den sie Tag und Nacht bei sich trug, das Vermächtnis ihres Vaters.
» Ich habe überhaupt nichts gestohlen!«
»Du lügst! Alle Christenhunde lügen!« Abermals spuckte Caleb ihm vor die Füße.
»Ich lüge nicht«, versicherte Conn, »und Chaya kennt mich gut genug, um das zu wissen.«
»So?« Der junge Jude lachte freudlos auf. »Sie kennt dich kein Stück, Christenhund. Andernfalls wäre sie wohl nicht auf die Schmeicheleien von jemandem hereingefallen, der nicht zum auserwählten Volk gehört. Und ganz sicher hätte sie kein Kind von dir empfangen.«
» Was ?« Conn hatte plötzlich das Gefühl, den Boden unter den Füßen zu verlieren.
»Du hast sie geschwängert, Bastard«, zischte Caleb – worauf Conn endgültig die Knie weich wurden. Er ging nieder. Seinen Gegner, den er noch immer umklammert hielt, riss er mit zu Boden.
Chaya erwartete ein Kind von ihm!
Diese Neuigkeit war so überwältigend, dass er einige Augenblicke brauchte, um sie zu verdauen. Gleichzeitig fragte er sich, weshalb er erst jetzt davon erfuhr. Wieso hatte Chaya ihm keine Nachricht zukommen lassen? Aus Zorn? Aus Furcht? Aus Scham?
»W o ist Chaya? Ich muss zu ihr!«
Caleb schüttelte den Kopf. »Sie will dich nicht sehen.«
»Aber ich habe das Buch nicht an mich genommen«, versicherte Conn. »Und ich wusste auch nichts von … von ihrem Zustand.«
»Glaubst du, das mindert deine Schuld?«
Conn überlegte kurz. Dann ließ er Caleb los und stieß ihn von sich. Den Dolch rammte er kurzerhand vor ihm in den Boden.
»W as tust du?«, fragte der Jude verblüfft.
»Ich lasse dich frei«, erklärte Conn, während er sich wieder auf die Beine raffte.
»Obwohl ich dich töten wollte?« Caleb war wenig überzeugt.
» So ist es. Ich schenke dir das Leben – dafür möchte ich, dass du Chaya eine Nachricht von mir überbringst.«
»Sie wird mir nicht zuhören.«
»Sie wird. Sage ihr, dass ich den Verlust des Buches bedaure, aber dass mich daran keine Schuld trifft. Und richte ihr ebenfalls aus, dass ich …«
»Na was?«, hakte Caleb ungeduldig nach, als Conn zögerte.
Conn schüttelte den Kopf. Er wusste nicht, was er dem Boten noch mit auf den Weg geben sollte. Sollte er Chaya seine Liebe gestehen? Ihr seine Hilfe anbieten? Sie um Verzeihung bitten? Unsinn – schließlich war sie es, die sich davongeschlichen hatte und ihn nun offenbar eines Diebstahls verdächtigte, den er nicht begangen hatte. Der Gedanke allerdings, dass sie ein Kind von ihm erwartete, brachte ihn vor Sehnsucht fast um den Verstand. Egal, was gewesen war, er wollte bei ihr sein, wollte für sie sorgen, obschon er wusste, dass es unmöglich war. Sie lebten in unterschiedlichen Welten, auf den gegnerischen Seiten eines mörderischen Konflikts.
»Dass sie auf sich achten soll«, erwiderte er deshalb ausweichend. »W irst du das für mich tun, Caleb?«
»W as ist, wenn ich mich weigere?«
»Ich werde dich dennoch ziehen lassen. Aber wenn du der bist, für den ich dich halte, wirst du Chaya meine Nachricht überbringen.«
»Und – mein Dolch?« Caleb schielte nach der Waffe, die im Boden steckte, nur zwei
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