Das Buch Von Ascalon: Historischer Roman
wäre?«, f ragte Chaya spitz und machte damit klar, dass es im Grunde um sehr viel mehr ging als um den Streit zweier Menschen.
Conn biss sich auf die Lippen. Es stimmte, er war nur zu bereit gewesen, Berengars Worten Glauben zu schenken. Aber dafür gab es Gründe, und sie hatten nichts mit Religion zu tun. »Ich wusste nicht, was ich denken sollte«, verteidigte er sich. »Immerhin warst du über Nacht verschwunden, ohne ein Wort des Abschieds oder …«
»Das ist nicht wahr!«, widersprach sie heftig. »Als ich das Lager verließ, traf ich Berengar, und ich bat ihn, dir auszurichten …« Die Worte erstarben ihr auf den Lippen, als ihr aufging, wie töricht und naiv sie gewesen war. »Er hat nichts gesagt, oder?«
»Nein«, gestand Conn ein, während ihn ohnmächtiger Zorn auf den Benediktinermönch packte. Nicht nur, dass Berengar ihn dreist bestohlen und hintergangen hatte – er hatte ihn auch in seinem Sinne beeinflusst und ihn in gewisser Weise gezwungen, zwischen Chaya und ihm zu wählen. Und ob bewusst oder unbewusst, Conn war darauf eingegangen.
»W as geschehen ist, ist geschehen«, sagte er leise, »ich kann es nicht mehr verhindern. Aber ich kann versuchen, das entstandene Unrecht wiedergutzumachen.«
»W ie?«, fragte sie. »Du hast doch überhaupt keine Ahnung, worum es in dem Buch eigentlich …«
»Um ein Geheimnis aus alter Zeit«, fiel Conn ihr ins Wort. »Um einen Schrein, gebaut, um den Bund zwischen Gott und den Menschen zu besiegeln. Die Lade des Bundes.«
»Du … du weißt es?«
Chayas Unverständnis, ihre Wut und ihre Enttäuschung schlugen in Entsetzen um.
»Berengar ist eurer Sprache mächtig, wie du weißt. Er hat das Buch übersetzt und kennt das Geheimnis. Und er weiß auch, dass die darin versteckten Rätsel Hinweise auf den Verbleib der Lade geben – und er hat vor, in Guillaume de Reins Auftrag danach zu suchen.«
» Guillaume de Rein.« Sie schien sich an den Namen zu erinnern. »Das ist der Ritter, der deine Geliebte getötet hat.«
»Ja, Chaya, ein Mann ohne Gewissen. Wenn er in den Besitz der Lade gelangt …«
»… ist das Schicksal des Volkes Israel besiegelt«, flüsterte sie mit leerem Blick, der den Untergang des Hauses Jakob bereits heraufdämmern zu sehen schien. »Und ich bin schuld daran.«
»Nein«, sagte Conn entschieden. »Berengar ist es gewesen, ihn trifft alle Schuld. Aber wir können verhindern, dass er triumphiert.«
»W as willst du tun?«
»Mit deiner Hilfe selbst nach der Lade suchen und sie vor ihm finden.«
»Und dann? Willst du sie meinem Volk geben?«
»Das kann ich nicht, und wenn du das Buch gelesen hast, dann weißt du auch warum. Von einem neuen Jerusalem ist darin die Rede, von einem neuen Tempel – wenn das geschieht, so bedeutet dies, dass die Pilgerfahrt der Kreuzfahrer scheitern wird und unzählige meiner Freunde und Kameraden den Tod finden werden.«
»Also steht das Überleben meines Volkes gegen das Überleben deiner Leute«, fasste Chaya mit erschreckender Sachlichkeit zusammen.
»Nicht unbedingt. Es gibt einen dritten Weg.«
»Tatsächlich?«
»W ir könnten die Lade der Obhut der Kirche übergeben«, sagte Conn, wobei er sich darüber im Klaren war, wie irrsinnig sich dieser Vorschlag in ihren Ohren anhören musste.
Prompt lachte Chaya bitter auf. »W o ist der Unterschied?«, fragte sie. »Die Lade des Bundes ist ein Schatz von unermesslichem Wert und eine Quelle noch größerer Macht, Conwulf! Glaubst du, eure Kirchenmänner könnten der Versuchung widerstehen, sie zu benutzen?«
»Das denke ich allerdings«, versicherte Conn in Erinnerung a n Adhémars Versprechen, »denn der Kirche kann nicht daran gelegen sein, dass weltliche Fürsten von der Lade Kenntnis erlangen. Zu groß ist ihre Furcht, dadurch selbst entmachtet zu werden. Die Lade soll nach Rom gebracht und an einem geheimen Ort verborgen werden, das hat mir der Bischof von Le Puy persönlich versichert.«
»Und seinem Wort soll ich vertrauen?« Ein bitteres Lächeln spielte um Chayas Züge. »W o ich herkomme, haben Juden den Fehler begangen, Bischöfen und anderen kirchlichen Würdenträgern zu vertrauen – und dafür mit dem Leben bezahlt. Was, denkst du, habe ich daraus gelernt?«
»Ich weiß, dass ich viel verlange. Aber bedenke, dass auch Berengar und Guillaume de Rein auf der Suche nach der Lade sind – und sie haben das feste Ziel, sie zu ihren Zwecken zu missbrauchen. Die Zeit drängt, Chaya.«
»W as versuchst du mir zu sagen? Dass ich
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