Das Buch Von Ascalon: Historischer Roman
blutüberströmt und kalt.
Nie wieder würde sich Guillaume erheben, nie wieder mit ihr sprechen. Und nie wieder würde sie ihn nach ihren Vorstellungen formen und ihn entsprechend handeln lassen können. Guillaume war fort, und die Leere, die er hinterlassen hatte, war so abgrundtief, dass Eleanor das Gefühl hatte, von ihr verschlungen zu werden.
Guillaume war ihr Sohn gewesen, ihr eigen Fleisch und Blut, Träger all ihrer Hoffnungen – und nun? Sie war dabei gewesen, hatte dem Kampf aus sicherer Entfernung beigewohnt und war überzeugt gewesen, dass ihr Sohn das Duell auf Leben und Tod für sich entscheiden würde, dass dies die Stunde wäre, in der Guillaume sich vor aller Welt bewährte – aber dann war alles ganz anders gekommen.
In dem Augenblick, als das Schwert des Angelsachsen Conwulf die Brust Guillaumes durchstieß, hatte Eleonor ihre Wut und ihre Enttäuschung laut hinausgeschrien, hatte sich lauthals empört über den Akt der Barbarei, in dem andere ein Urteil des höchsten Richters sehen mochten – für Eleanor stand fest, dass es Mord gewesen war, der sie und ihren Sohn um den verdienten Lohn ihrer Mühen gebracht hatte.
Guillaume war das Opfer eines Komplotts geworden, das einige Fürsten – unter ihnen der verschlagene Herzog Robert und der rachsüchtige Graf von Monteil – geschmiedet hatten. Ihr Ziel war es gewesen, die Bruderschaft der Suchenden zu zerschlagen, indem sie ihr Haupt vernichteten, und dabei hatten sie sich des Angelsachsen bedient, der sich wie eine Schlange angeschlichen und sogar das Vertrauen des Barons gewonnen hatte.
Wie sehr wünschte sich Eleanor, der einfältige Renald hätte Conwulf an jenem Tag vor Antiochia tatsächlich das Auge ausgestochen, dann wäre der Kampf – so es überhaupt dazu gekommen wäre – sicher anders ausgegangen. Oder war auch d ies schon ein Teil des Komplotts gewesen? Hatte Renald schon damals beabsichtigt, Guillaume durch den Angelsachsen töten zu lassen?
Alles schien Eleanor in ihrer Verzweiflung möglich, und je länger sie am Grab ihres Sohnes Wache hielt, desto mehr wurde ihre Trauer zu Hass. Ihre Tränen waren längst versiegt – das Verlangen nach Vergeltung jedoch brannte mit jedem Tag heißer in ihrer Brust, ein alles verzehrendes Feuer.
Nur mit Mühe hatte sie Robert, den sie von Kindesbeinen an kannte, weil er gelegentlich auf dem Sitz ihrer Familie bei Falaise zu Besuch gewesen war, davon abbringen können, den Leichnam ihres Sohnes wie angedroht zu verbrennen und seine Asche zu zerstreuen. Schon der Gedanke, seinen Körper in fremde Erde gebettet zu wissen, weit entfernt von der normannischen Heimat, die er so geliebt hatte, ließ sie tiefe Verzweiflung fühlen, doch fand sie Trost in der Tatsache, dass sein Körper unversehrt geblieben war.
Noch immer sah sie ihn vor sich, die Haut weiß wie Schnee und das blonde Haar von einem goldenen Reif gehalten, den sie ihm mit ins Grab gegeben hatte. Eleanor hatte nie einen Zweifel gehegt, dass ihr Sohn zum Herrscher berufen war, entsprechend hatte sie ihn einem König gleich beisetzen lassen und ihm all die Ehren erwiesen, die der Fürstenrat und die Geistlichkeit ihm verweigert hatten.
Arnulf von Rohes hatte sie deshalb eine Hexe genannt, und sie wusste, dass es nicht wenige gab, die an ihrem Verstand zweifelten und glaubten, dass der Verlust ihres Gatten und ihres Sohnes innerhalb so kurzer Zeit zu viel gewesen wäre.
Was wussten diese Narren schon?
Was von den Sorgen einer Mutter?
Was von den Qualen, die sie litt?
Was von den Schmerzen, unter denen sie Guillaume in die Welt geboren hatte? Von den Opfern, die sie auf sich genommen hatte, damit er auch in der unwirtlichen Fremde Northumbrias die Erziehung erhielt, die eines zukünftigen Herr s chers würdig war? Von den Demütigungen, die sie erduldet hatte, um Renald de Rein im Glauben zu lassen, dass er in Wahrheit der Überlegene wäre? Von dem Blut, das an ihren Händen klebte, weil sie stets nur das Beste für Guillaume gewollt hatte?
Mit Unbehagen hatte sie gesehen, wie sich der Junge seinem wirklichen Vater zuneigte; Osbert war seinem älteren Bruder Renald in vieler Hinsicht überlegen gewesen, doch seine rechtschaffene Art und seine verabscheuungswürdige Vorliebe für die einfachen Dinge des Lebens hatten Guillaume mehr geschadet als genutzt. Zudem war Eleanor sich bewusst gewesen, dass sie eines Tages etwas benötigen würde, mit dem sie Renald in ihrem Sinne lenken konnte. Also hatte sie an jenem Tag, als
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