Das Buch Von Ascalon: Historischer Roman
Osbert in der Schlucht jagte, das Seil durchschnitten und versteckt, um Jahre später Renald der Tat zu bezichtigen.
Doch all dies, all ihre Erwägungen, ihre Überlegungen, ihre sorgsam bedachten Pläne, waren gegenstandslos geworden.
Guillaume war tot. Abgeschlachtet von einem angelsächsischen Barbaren – der dafür bitter bezahlen würde.
»Mylady?«
Eustaces sanfte Stimme riss sie aus ihren Gedanken.
Sie fand sich im Staub kniend, am Fuße des Grabhügels, den sie hatte aufschütten und mit einem Felsblock versehen lassen. Guillaumes Name und Herkunft waren darauf verzeichnet und würden dafür Sorge tragen, dass man das Andenken an ihn auch noch in tausend Jahren wahrte … Eleanor wandte das ins Gebende gehüllte Haupt. Die Männer waren bereit zum Aufbruch.
Zehn Tage lang hatten sie ausgeharrt.
Sie hatten das Grab ausgehoben und die Totenwache gehalten, hatten ihren Anführer ehrenvoll bestattet, während das Heer längst abgezogen war und sich gen Caesarea gewandt hatte, wo man das Pfingstfest verbringen wollte, ehe man nach Jerusalem weiterzog.
N icht alle Ritter der Bruderschaft waren geblieben. Einige hatten dem angeblichen Gottesurteil Glauben geschenkt und sich abgewandt, andere sich von den Anhängern Herzog Roberts einschüchtern lassen. Etwa zwanzig junge Edle waren jedoch mit ihrem Gefolge geblieben – genug, um jene zu verfolgen und zu bestrafen, die Schuld an Eleanors Schmerz trugen. Und womöglich auch genug, um das zu Ende zu bringen, was Guillaume in ihrem Auftrag begonnen hatte.
Eleanor wusste nicht, wohin sich der verräterische Mönch verkrochen hatte, aber ihre Gier nach dem, was er ihr in Aussicht gestellt hatte, war trotz ihrer Trauer ungebrochen. Ihren Sohn hätte sie am liebsten auf dem Thron von Jerusalem gesehen, doch da er nicht mehr am Leben war, würde sich ein anderer finden müssen, der in ihrem Auftrag an die Spitze der Macht gelangte.
»Mylady, bitte verzeiht. Aber unsere Leute sind bereit zum Abmarsch. Wenn Ihr die Güte haben wollt, mir zu folgen.«
Eleanor drehte sich noch ein Stück weiter um und nickte dem Ritter mit den eigenartig blicklosen Augen wohlwollend zu.
»Gewiss, mein guter Eustace, gewiss. Unsere Arbeit hier ist getan. Jerusalem erwartet uns.«
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27.
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Mons gaudii
7. Juni 1099
Der Tag, auf den die Kreuzfahrer mehr als drei Jahre lang gewartet, auf den sie hingelebt und für den sie unsagbare Opfer gebracht hatten, war ein Dienstag.
Schon einige Tage zuvor war der Normanne Tankred mit einer kleinen Schar von Reitern nach Bethlehem vorgedrungen, jener Stadt, in der der Erlöser geboren worden war. Die Nachricht, dass die Kreuzfahrer jenen Stätten, die sie bislang nur vom Hörensagen gekannt und die das Ziel all ihrer Mühen gewesen waren, nun bereits so nahe waren, hatte sich wie ein Lauffeuer im Heer verbreitet. Obwohl die Pilger erschöpft waren, wollten sie keine Zeit mehr verlieren.
In einem zweitägigen Gewaltmarsch, der begleitet wurde von frohen Gesängen und den aufpeitschenden Reden der Prediger, setzten sie ihren Weg gen Südosten fort. Und schließlich – das Licht des neuen Tages war bereits aufgegangen und tauchte das Land in gleißenden Schein – erreichten sie eine Erhebung, von deren flachem Rücken aus sich ihnen ein überwältigender Anblick bot: Vor ihnen, wie eine ferne Verheißung, jedoch so nah wie noch nie zuvor, lag das Ziel all ihres Sehnens.
Jerusalem die Hohe.
Die Stadt Salomons.
Die Wiege der Christenheit.
V on einer hohen Mauer umgeben und zu beiden Seiten von den Tälern von Hinnom und Kidron begrenzt, bot die Stadt einen prächtigen Anblick. Kirchenkuppeln und Minarette erhoben sich aus einer Wirrnis steinerner Quader, zur Linken ragten die Türme der Zitadelle auf, hier und dort waren Ruinen der römischen Herrschaft zu erkennen, beeindruckend in ihrer schieren Größe. Den prächtigsten Anblick jedoch bot die riesige Kuppel, die sich im Osten der Stadt erhob, inmitten eines von Mauern umgebenen Plateaus, und deren goldenes Dach im frühen Sonnenlicht glänzte – der Felsendom! Viel hatten die Pilger von diesem Ort gehört, den die Anhänger Mohammeds gebaut hatten, um einen der heiligen Orte ihres Glaubens zu schützen. Obwohl er den Streitern Christi, die doch gekommen waren, um das Heilige Land von Heiden zu reinigen, ein Dorn im Auge hätte sein müssen, jubelten sie bei seinem Anblick.
Zum einen, weil die goldene Kuppel das Ende der langen Reise verhieß. Zum anderen, weil die begierigen Augen
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