Das Buch Von Ascalon: Historischer Roman
damit seinen Verdacht. »Ihr jedoch habt Euch selbst zum Maß aller Dinge erhoben, Renald, und indem Ihr dies tatet, habt Ihr nicht nur Euch, sondern auch Eure Familie in eine ausweglose Lage gebracht. Ihr mögt Euch selbst für einen mächtigen Kriegsherrn halten, doch hinter Eurem Rücken lacht man über Euch und sagt, dass Ihr Euch habt vorführen und mit einem wertlosen Lehen abspeisen lassen, während andere, die weniger geleistet und geringere Opfer gebracht haben als Ihr, große und prächtige Ländereien ihr Eigen nennen. Ihr solltet Guillaume dankbar dafür sein, dass er in seinen jungen Jahren über mehr Weitsicht verfügt, als Ihr sie jemals haben werdet.«
»Dankbar? Du meinst, ich soll mich noch dafür erkenntlich zeigen, dass er mir vor meinem Lehnsherrn in den Rücken gefallen ist und mich zum Narren gemacht hat?«
» Besser ein Narr als ein verarmter Ritter, seines Titels und seiner Ländereien ledig. Dank Guillaume bleibt Euch dieses Schicksal erspart, denn er steht höher in der Gunst des Königs, als Ihr es jemals tun werdet.«
»Das ist wahr«, gestand Renald bitter, »dafür steckt seine Manneszier auch tief in Rufus’ Hinterteil. Glaubst du, ich wüsste nicht, was der König treibt, wenn er Guillaume zu sich in sein Gemach bestellt? Der gesamte Hof spricht hinter vorgehaltener Hand davon! Sodomie und Unzucht herrschen in dieser Burg!«
»Guillaume ist alt genug, um zu wissen, was seinen Zwecken dient«, sagte Eleanor kühl.
»V ielleicht – aber ich werde nicht dulden, dass er den Namen de Rein mit ehrlosem Verhalten beschmutzt.«
»Mit Verlaub, werter Gemahl«, meinte Eleanor mit einiger Herablassung und setzte ihre Stickarbeiten fort, »ich denke nicht, dass Ihr eine andere Wahl habt. Schließlich habt Ihr gehört, was Ranulf gesagt hat. Solltet Ihr den Plan des Königs nicht nach Kräften unterstützen, wird es Euch Titel und Besitz kosten.«
»Nur wenn William dann noch König ist.«
»W as wollt Ihr damit sagen?«
»Ich werde nicht zulassen, dass dieser infame Geck das Ansehen seines Vaters beschmutzt, indem er zum Brudermörder wird.«
»W as wollt Ihr dagegen tun?« Forschend blickte Eleanor auf. In ihren grünen Augen blitzte es.
»Das brauchst du nicht zu wissen«, beschied der Baron ihr knapp. Sie jedoch lachte nur leise.
»Glaubt Ihr denn, Eure Gedanken wären so undurchschaubar, dass ich sie nicht erriete? Ihr wollt Nachricht nach Durham schicken, denn Mowbray und Carileph haben dort noch immer viele Anhänger. Wenn sie vom Komplott gegen Herzog Robert erfahren, werden sie nichts unversucht lassen, es zu vereiteln, und Ranulfs Pläne wären zumindest fürs Erste durchkreuzt.«
» Ihr seid klug, Mylady«, knurrte Renald in einer Mischung aus Bewunderung und Feindseligkeit. »W omöglich klüger, als es für eine Frau Eures Standes gut ist.«
Ihr Gelächter wurde lauter. »Glaubt Ihr denn, ich hätte dies nicht einkalkuliert? Dass ich die Möglichkeit, Euer angeborener Starrsinn könnte unser Vorhaben vereiteln wollen, nicht angemessen berücksichtigt hätte?«
»Lacht, solange Ihr wollt. Ihr werdet mich nicht aufhalten.«
»Nein? Und wenn ich am Hof verlauten lasse, dass Guillaume nicht Euer, sondern Eures Bruders Sohn ist?«
»Tut, was Euch beliebt«, antwortete der Baron ungerührt. »Die Schande kann nicht größer werden, als sie es ohnehin schon ist.«
»Glaubt Ihr das wirklich? Was, wenn Eure treuen Gefolgsleute erführen, dass Guillaume in Wahrheit nicht Euer eigener Spross ist, sondern der Eures Bruders? Dass Ihr den guten Osbert nicht nur ins Schlafgemach Eurer Gemahlin gelassen, sondern ihn förmlich darum angefleht habt, Euch einen männlichen Erben zu schenken – aber dass Eure gekränkte Männlichkeit niemals über jene Nacht hinweggekommen ist? Dass Ihr damals nicht nur Euren Stolz, sondern auch Eure Freiheit aufgegeben habt und vom Wohlwollen und der Gnade anderer abhängig geworden seid – und dass dies der Grund dafür war, dass der arme Osbert so unerwartet von uns ging?«
Scharfsinn hatte nie zu Renald de Reins Stärken gehört, und die Sprache von Waffen und Gewalt verstand der Baron ungleich besser als jene feinsinniger Anspielungen und versteckter Drohungen. In diesem Augenblick jedoch begriff er sofort, was seine Gemahlin sagen wollte.
»W as fällt Euch ein? Ihr glaubt doch nicht etwa, dass ich …?«
»Ich glaube gar nichts. Aber ich habe mit eigenen Augen gesehen, wie gut dein Bruder und Guillaume sich stets verstanden haben und wie
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