Das Buch Von Ascalon: Historischer Roman
am Feldzug gegen die Heiden teilnimmt.«
»Oh, sieh an!« Bertrands Überraschung schien echt zu sein. »Unser junger Freund interessiert sich für die große Politik!«
»Das muss dir doch gelegen kommen«, sagte Baldric mit nachsichtigem Lächeln. »Auf diese Weise kannst du getrost weiterreden und hast zumindest einen, der dir zuhört.«
Einige am Tisch lachten, sogar der schweigsame Remy entblößte das lückenhafte Gebiss – wohl die Folge eines Faustschlags oder Keulenhiebs – zu einem Grinsen. Bertrand schaute ein wenig pikiert drein, was ihn aber nicht davon abhielt, zu einer weiteren Erklärung anzusetzen: »Du musst wissen, Conwulf, dass Herzog Robert und unser König Rufus sich nie besonders grün gewesen sind. Noch zu den Lebzeiten seines Vaters hat sich Robert mehrmals gegen diesen gestellt und sogar Kriege gegen ihn geführt, während Rufus dem alten William treu zur Seite gestanden hat. Zum Dank dafür hat der Eroberer ihm die Krone Englands übertragen, während Robert die Normandie geerbt hat. Aber obwohl die beiden inzwischen miteinander ihren Frieden gemacht haben, belauern sie einander noch immer wie hungrige Wölfe, die nur darauf warten, dem anderen die Beute zu entreißen.«
B ertrand grinste angesichts des bildlichen Vergleichs, den er offensichtlich ziemlich gelungen fand – wie zutreffend er tatsächlich war, wurde Conn jedoch erst in diesem Augenblick klar.
Infolge der Ereignisse, die wie ein Sturm über ihn hereingebrochen waren – von Nias Tod über seine Flucht und Verletzung bis hin zu der Tatsache, dass er sich unwillentlich einer Gruppe von Kreuzfahrern angeschlossen und seine angestammte Heimat verlassen hatte –, hatte er bislang weder Zeit noch Interesse gehabt, über das Gespräch nachzudenken, dessen Zeuge er in jener Nacht geworden war. Auch hatte das, was er in der Kapelle gehört hatte, bislang keinen Sinn ergeben – nun jedoch begann Conn die Zusammenhänge zu begreifen. Schlagartig wurde ihm klar, warum man um jeden Preis seinen Tod gewollt hatte: Er war nicht nur zum Mitwisser eines geplanten Mordes geworden, sondern einer Verschwörung!
Der König von England, so lautete die unfassbare Folgerung, plante die Ermordung seines Bruders Robert, des Herzogs der Normandie, um auf diese Weise in den Besitz von dessen Ländereien zu gelangen und die Güter seines Vaters des Eroberers wieder unter einer – seiner – Krone zu vereinen. Und kein anderer als Guillaume de Rein sollte das Werkzeug dieser tödlichen Intrige sein.
Die Erkenntnis traf Conn wie ein Keulenhieb.
Furcht schlich sich in sein Herz, die hässliche Einsicht, in Dinge verwickelt zu sein, denen er nicht gewachsen war. Dann jedoch wurde ihm klar, dass ihm das Schicksal auch eine mächtige Waffe in die Hand gespielt hatte. Ausgerechnet der Mann, der seine geliebte Nia getötet hatte, sollte im Auftrag des Königs zum Mörder an dessen Bruder werden – und er war der Einzige, der davon wusste!
Conns Angst wich jäher Euphorie. Er war nicht länger hilflos, hatte etwas gegen de Rein in der Hand. Schon im nächsten Moment jedoch ließ seine Begeisterung wieder nach. Es gab für d as, was er gehört hatte, nicht den geringsten Beweis – wem also würde man glauben, wenn das Wort eines angelsächsischen Diebes gegen das eines normannischen Edlen stand? Noch dazu, wo der König selbst in die Sache verwickelt war?
Conns Hoffnung zerschlug sich so rasch, wie sie aufgekommen war. Er erwog kurz, Baldric und seine Gefährten ins Vertrauen zu ziehen und ihnen von seinen Erlebnissen in London zu berichten, aber er verwarf den Gedanken sofort wieder.
Zugegeben, er kannte sie nun einige Wochen und hatte die Erfahrung gemacht, dass wohl nicht alle Normannen jene eingebildeten, menschenverachtenden Bastarde waren, für die er sie stets gehalten hatte. Aber konnte er ihnen vertrauen? Sicher nicht. Conn zweifelte nicht daran, dass ihre Geduld mit ihm ein rasches Ende nehmen würde, wenn er anfing, den König oder auch nur einen seiner Getreuen eines Mordkomplotts zu bezichtigen, zumal er nicht einen einzigen Beweis in der Hand hatte. Er musste also schweigen und sein Wissen für sich behalten, wenn er sich nicht um Kopf und Kragen bringen wollte.
Guillaume de Rein musste warten.
Vorerst.
»W as hast du?«, erkundigte sich Bertrand grinsend, der die plötzliche Blässe in Conns Gesicht bemerkt hatte. »Ist das fränkische Bier zu stark für dich?«
Conn, der den plötzlichen Drang nach frischer Luft verspürte,
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