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Das Buch Von Ascalon: Historischer Roman

Das Buch Von Ascalon: Historischer Roman

Titel: Das Buch Von Ascalon: Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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Bedeutung«, erwiderte der Mönch, wobei er die Fäuste ballte und sie demonstrativ zum Himmel reckte, »nicht nur hier auf dem Festland, sondern auch drüben in England und anderen Teilen der Welt! Vor zwei Jahren gab es in Burgund eine verheerende Hungersnot, weil eine wochenlange Regenflut die Ernte vernichtete. Und während die Menschen in ihrer Not zum Herrn beteten, wurde der Himmel selbst zur Tafel, auf die der Allmächtige seine Botschaft schrieb. Kometen erschienen, sieben an der Zahl, und zogen ihre Bahn am Firmament!«
    Ein Raunen ging durch die Menge. Auch Conn war beeindruckt. Ein Komet, das war allgemein bekannt, war stets ein Hinweis auf himmlisches Wirken. Gleich sieben davon jedoch waren in der Tat ein außergewöhnliches Zeichen.
    »Und im vergangenen Jahr«, fuhr der Mönch fort, »versank der Himmel über England in einem unirdischen Leuchten, das bis hinauf an die Gestade des Nordmeers zu sehen war!«
    Conn nickte. Auch er hatte von dem angeblichen magischen Feuer gehört, von grünen Flammen, die den nördlichen Himmel entzündet haben sollten. Damals hatte er nicht allzu viel darauf gegeben – in diesem Augenblick jedoch, an diesem Ort, in jener eigentümlichen Melancholie, die ihn erfasst hatte, gewann es plötzlich an Bedeutung.
    »W eise Männer aus allen Ländern der Christenheit sind zusammengekommen, um über die Bedeutung dieser Zeichen zu beraten. Gelehrte und Kirchenmänner, sie alle kennen nur einen Weg, diese Zeichen zu deuten: Unheil kündigt sich an und wird über uns kommen, zur Strafe dafür, dass wir unsere Pilgerpflichten vernachlässigt und die heiligen Stätten von Heiden haben entweihen lassen! Und es gibt nur einen Weg, dieses Unheil zu verhindern, meine Brüder – nämlich dem Ruf zu folgen, den unser Heiliger Vater ausgesprochen hat. Wir w ollen die Wiege unseres Glaubens von frevlerischer Hand säubern und das Reich des Herrn auf Erden errichten. Deus lo vult , meine Brüder – Gott will es!«
    Trotz der später Stunde brach lauter Jubel auf dem Platz aus. Angesteckt von der Begeisterung, die der Mönch aus jeder Pore zu verströmen schien, schrien die Männer und Frauen ihre Zustimmung und ihre Entschlossenheit in die Nacht hinaus. Selbst Conn ertappte sich dabei, dass er dem Beispiel der anderen folgte, die Faust ballte und sie empor zum funkelnden Himmel reckte.
    »Schon in wenigen Tagen«, fuhr der Ordensmann in seiner Ansprache fort, kaum dass der Beifall ein wenig abgeebbt war, »werdet ihr aufbrechen, meine Brüder. Dann wird sich erweisen, woraus euer Glaube gemacht ist. Ist er stumpf wie ein altes Messer? Oder ist er glänzend und scharf wie eine neu geschmiedete Klinge, die darauf brennt, sich in der Schlacht zu bewähren und die Heiden zurückzustoßen in jenen dunklen Höllenpfuhl, dem sie entstiegen sind?«
    Wieder Jubel, auch Conn hörte sich laut schreien. Woran es lag, vermochte er selbst nicht zu sagen, aber in diesem Augenblick, an diesem Ort, hatte er nicht mehr das Gefühl, allein zu sein und von allen verlassen, sondern Teil von etwas Großem und Besonderem zu sein. Sein Herr Baldric sprach gerne und schnell von Dingen wie göttlicher Vorsehung und Bestimmung – in dieser Nacht jedoch, unter dem Eindruck der flammenden Rede, hatte Conn das Gefühl, sie zum ersten Mal am eigenen Leib zu spüren.
    »W ir leben in einer bewegten Zeit, meine Brüder. Die Welt ist im Umbruch, eine neue Ära bricht an. Möge der Herr geben, dass ihr euch ihrer würdig erweist, und möge er euch alle segnen, auf dass ihr das Ziel der Fahrt unbeschadet erreichen und einer wie der andere zu tapferen Streitern Christi werdet. Amen .«
    Zuletzt hatte er die Hände gefaltet und den Blick zum Himmel gerichtet. Als er schließlich die Rechte hob, um ein Kreuz z u zeichnen und seine Zuhörer zu segnen, ging ein Ruck durch die Menge. Die Versammelten brachen in die Knie und senkten die Häupter, nicht nur die, die vorn am Brunnen lagerten, in seinem unmittelbaren Blickfeld, sondern auch jene, die auf der anderen Seite des Platzes standen, im Schutz der Vordächer und in den Mündungen der Gassen. Immer mehr waren es geworden, während der Mönch gesprochen hatte, und sie alle beugten die Knie – auch Conn.
    Gesenkten Hauptes kauerte er da, und während er den Pater von Vergebung reden hörte, von Erfüllung und einem besseren Leben, fühlte er zum ersten Mal etwas wie Trost. Wie Balsam schienen sich die Worte des Mönchs auf seine Seele zu legen, die nach den Tagen und Wochen

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