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Das Buch Von Ascalon: Historischer Roman

Das Buch Von Ascalon: Historischer Roman

Titel: Das Buch Von Ascalon: Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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schließlich, »ich bin seine Tochter. Ich heiße Chaya.«
    »Chaya«, echote Conn verwundert. »Aber warum nur …?«
    Er verstummte, als sein Arm plötzlich in Flammen aufzugehen schien. Kurzerhand hatte sie den restlichen Inhalt der kleinen Flasche über die noch offene Wunde gekippt, sodass Conn nicht anders konnte, als laut aufzuschreien. Sein Herz schlug heftig, und er sah dunkle Flecke, die vor seinen Augen auf und ab tanzten.
    »W arum ich mich als Mann verkleide?«, fragte die Jüdin ungerührt dagegen. »W arum ich mir das Haupt geschoren habe, als ginge es zum Richtplatz?«
    Er nickte mit zusammengebissenen Zähnen.
    »Sehr einfach – weil die Welt nun einmal ist, wie sie ist. Und weil in dieser verkehrten Welt einer jungen Frau, die mit ihrem Vater reist, größeres Ungemach droht als dessen männlichem Diener, obschon eine Frau doch sehr viel schwächer ist und daher des Schutzes in größerem Maße bedürfte.«
    Conn wusste nicht viel zu erwidern. Ob als Ilan oder als Chaya – ihre Wortwahl und ihre Art sich auszudrücken, sorgten dafür, dass ihm der Schädel brummte, von den Schmerzen in seinem Arm ganz zu schweigen. Aber in diesem Moment wurde ihm klar, dass diese bereits merklich nachgelassen hatten.
    Der unerträgliche Druck, der die ganze Zeit über auf der Wunde gelegen hatte, war verschwunden, auch das höllische Brennen hatte aufgehört. Die Geschwulst war zurückgegangen, und Conn war sogar in der Lage, seine Hand wieder zu bewegen, was zuletzt kaum noch möglich gewesen war. Blut trat aus der Schnittwunde aus, aber Chaya störte sich nicht daran. Im Gegenteil, meinte sie, sorge das Blut dafür, dass der r estliche noch verbliebene Schmutz aus der Wunde entfernt werde. Abermals säuberte sie die Stelle, dann nahm sie einen gläsernen Tiegel zur Hand, der eine weiße, übelriechende Paste enthielt. Mit einem hölzernen Spatel trug sie etwas davon sowohl auf die alte Pfeilwunde als auch auf den frischen Schnitt auf, dann legte sie einen frischen Verband an, den sie ordentlich straff zog.
    »Fertig«, verkündete sie. »Diese Salbe«, fügte sie hinzu, wobei sie Conn den Tiegel reichte, »solltest du zweimal täglich auf die Wunde auftragen.«
    »Und – das ist alles?«, fragte Conn.
    »Das ist alles.«
    Er nickte mit dankbarem Blick auf den Verband. »Schon jetzt ist es sehr viel besser als zuvor«, meinte er und bewegte abermals die linke Hand. »Ganz erstaunlich.«
    »Nicht wahr?« Ihr Lächeln entbehrte jeder Freude. »Das hättet Ihr mir nicht zugetraut, oder? Wo ich doch nur eine Heidin bin …«
    »W arum sagt Ihr so etwas? Haben wir Euch und Euren Vater nicht vor den Räubern gerettet?«
    »Das habt Ihr. Aber hättet Ihr es auch getan, wenn Ihr gewusst hättet, wer wir sind? Was wir sind?«
    Erneut schaute sie ihn unverwandt an, und jetzt, da Empörung ihre blassen Wangen färbte und ihre dunklen Augen lodern ließ, ging Conn auf, wie schön sie war. Nur einmal zuvor in seinem Leben hatte er solche Anmut und solches Temperament in einer Frau vereint gefunden, und es schmerzte ihn zu erkennen, dass sie ihn in mancher Weise an Nia erinnerte. Nicht so sehr ihrem Äußeren als vielmehr ihrem Wesen nach, das nicht weniger freiheitsliebend und unbeugsam schien als das seiner Geliebten.
    Als er eine Antwort schuldig blieb, missdeutete Chaya sein Zögern. Ihre Züge, eben noch weich und anmutig, verhärteten sich, ihr Blick wurde kühl. »Eure Wunde ist jetzt versorgt, junger Herr«, gab sie steif bekannt. Dann erhob sie sich, packte i hre Utensilien zusammen und schickte sich an, die Kammer zu verlassen.
    »Chaya!«, rief Conn sie zurück.
    »Ja?« Sie blieb unter dem niedrigen Türsturz stehen.
    »Ich danke Euch«, sagte er leise. »V on ganzem Herzen.«
    Sie nickte. Dann drehte sie sich um und ging nach draußen.
    Conn blickte ihr nach.
    Dankbar, weil sie seine Wunde versorgt und damit vermutlich seinen Arm, womöglich sogar sein Leben gerettet hatte.
    Aber auch mit einer Spur von Reue.
    Denn für einen kurzen, wenn auch winzigen Moment, als ihre Blicke einander begegnet waren und er ihr tief in die Augen gesehen hatte, da hatte er seine Trauer und sogar seine Rachegedanken vergessen.
    Dabei – und dafür schämte er sich vor sich selbst – war auch seine Erinnerung an Nia einen Herzschlag lang verblasst.

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20.
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    Kalabrien
Winter 1096
    Der Marsch Richtung Süden ging weiter. Hatte sich Conn auf dem Weg durch Ligurien von Tag zu Tag schlechter gefühlt, so besserte sich sein

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