Das Buch Von Ascalon: Historischer Roman
noch immer nicht abgenommen hatte.
»Es tut verdammt weh«, knurrte Conn.
»W illst du, dass ich dir helfe?«
Conn brummte eine unverständliche Erwiderung, und der Junge fuhr damit fort, die Wunde abzutupfen und zu reinigen. Dabei rutschte ihm die Kapuze immer wieder ins Gesicht, sodass er sie schließlich unwirsch zurückschlug.
Conn war überrascht. Nicht nur, weil der Kopf des Jungen fast kahl war und das Haar darauf nur in kurzen schwarzen Stoppeln wuchs. Sondern auch, weil nun noch mehr auffiel, wie jung Ilan war. Noch nicht einmal der Ansatz eines Bartes s pross in seinem Gesicht, sein Nacken war schlank und seine Haut so zart wie …
»W arum tust du das?«, wollte Ilan unvermittelt wissen, während er nach einer ledernen Tasche griff, der er ein Messer mit kurzer Klinge sowie ein kleines Fläschchen mit einer Tinktur entnahm.
»W as meinst du?«
Mit den makellos weißen Zähnen entkorkte Ilan die Flasche und schüttete einige Tropfen ihres Inhalts über die Messerklinge. Conn ahnte, was nun folgen würde.
»In den Krieg ziehen«, wurde Isaacs Diener deutlicher.
Conn erwiderte das, was Baldric wohl entgegnet hätte. »Nun, um die Heiligen Stätten von den Heiden zu befreien, zum Ruhm und zum Andenken Gottes.«
»Glaubst du denn, euer Gott will, dass ihr euren Glauben mit Feuer und Schwert verbreitet? Hat euer Rabbi Jesus euch nicht gelehrt, den Nächsten zu lieben?«
»Das stimmt«, kam Conn nicht umhin zuzugeben.
»W arum wollt ihr jene, die anderen Glaubens sind, dann töten?« Ilan schaute auf. Der Blick seiner dunklen Augen war so eindringlich, dass Conn das Gefühl hatte, darin zu versinken.
»Ich… ich will sie nicht töten«, versicherte er rasch. Er fühlte sich in die Ecke gedrängt, war von den Fragen seines Gegenübers mindestens ebenso verwirrt wie von seinen forschenden Blicken.
»W arum hast du dich dann dem Feldzug angeschlossen?«
»W eil …« Er biss sich auf die Lippen. Was hätte er auch sagen sollen?
Im nächsten Augenblick hätte er ohnehin kein Wort mehr hervorgebracht, weil Ilan mit der Lanzette in die Geschwülste stach und der Schmerz so heftig war, dass Conn die Zähne fest zusammenbeißen musste, um nicht laut zu schreien. Gelber Eiter trat hervor, und der faulige Gestank, der ohnehin schon von der Wunde aufgestiegen war, steigerte sich noch. C onn konnte nicht verhindern, dass ihm Tränen in die Augen traten. In dem Moment, als die Qual am größten war und er schon glaubte, die Sinne würden ihm schwinden, traf ihn die Erkenntnis wie ein Hammerschlag.
Alles – Ilans knabenhaftes Äußeres, die verstohlenen Wortwechsel mit dem alten Isaac und dessen offenkundige Sorge um seinen Diener – ergab plötzlich einen Sinn. Die Wahrheit stand Conn plötzlich klar und deutlich vor Augen.
»Du bist … ein Mädchen!«, platzte er heraus.
Angesichts der Schmerzen, die ihn peinigten, klang es mehr wie eine Verwünschung als wie eine Feststellung. Und kaum hatte er sie geäußert, kam er sich vor wie ein Narr.
Ilan jedoch reagierte ganz anders, als er erwartet hatte. Weder lachte Isaacs Diener ihn aus noch wurde er wütend, sondern begnügte sich zunächst damit, weiter in der nun offenen Wunde herumzubohren, so als wäre das Strafe genug.
»Eine Frau«, verbesserte sie schließlich. Die Höhe ihrer Stimme hatte sich kaum verändert, doch klang sie jetzt weicher und weiblicher.
Conns Atem ging stoßweise, er hatte das Gefühl, vor Schmerz zu vergehen. Dass er nicht das Bewusstsein verlor, lag vermutlich nur daran, dass sein Geist etwas hatte, woran er sich festhalten und worüber er rätseln konnte.
»Aber wieso?«, stieß er hervor. »W ie …?«
»Spart Euch Euren Atem lieber«, riet sie ihm, während sie ein frisches Tuch dazu benutzte, den ausgeflossenen Eiter aufzunehmen und die Wunde erneut zu säubern. »Ihr werdet ihn noch brauchen.«
Conn dachte nicht daran, den Rat zu befolgen. Zu überraschend war die Erkenntnis, dass es eine junge Frau war, die ihm diese Höllenqualen bereitete, zu verwirrend die Konsequenzen, die sich daraus ergaben. »Und du … Ihr seid auch nicht Isaacs Diener, nicht wahr?«, fragte er weiter. Ihm war nicht verborgen geblieben, dass sie ihm nun distanzierter begegnete.
D ie Jüdin schaute ihn lange und prüfend an, so als gelte es zu erwägen, ob er der Wahrheit würdig war. Trotz ihres fast kahlen Hauptes und der markanten, vielleicht ein wenig zu herben Gesichtszüge war Conn von ihrem Anblick gefesselt. »Nein«, gestand sie
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