Das Büro
gibt: «Wenn der Minister hier hereinkäme und sagen würde: ‹Herr Koning, was tun Sie hier eigentlich?›, würde ich ihm antworten: ‹Nichts, Exzellenz! Meine Arbeit ist vollkommen sinnlos und ohne jeden Wert.›»
Ein Roman über das Leben
Ein Gespräch mit J. J. Voskuil
J. J. Voskuil in seiner Wohnung
Herr Voskuil, haben Sie eine Erklärung für den Riesenerfolg, den Ihr Roman Het Bureau hier in den Niederlanden hat?
Die einzige Erklärung, die mir dafür einfällt, ist die, dass Menschen ihre eigene Arbeitssituation in
Het Bureau
wiedererkennen. Das hatte ich absolut nicht erwartet, zumal ich den Roman auch nicht so sehr wegen der Arbeitssituation geschrieben hatte als vielmehr wegen der menschlichen Beziehungen, die man dort antrifft. Im Nachhinein stellte ich fest, dass eine ganze Menge Leser ihren Beruf in dem meinen erkennen und vor allem die menschlichen Beziehungen darin. Ich habe das von Leuten gehört, die im medizinischen Bereich arbeiten, von Theologen und sogar von Elektrikern. Es ist merkwürdig: Auch wenn sie etwas ganz anderes machen, scheint ihr Beruf dennoch dem meinen zu ähneln.
Was ist das eigentliche Thema des Romans?
Im Kern geht es um Folgendes: Als ich das «Büro» erst einmal verlassen hatte, stellte ich fest – und das hatte ich nicht erwartet –, dass ich dort schon nach wenigen Monaten keinen Platz mehr hatte. Ich betrat es als jemand, der dort früher einmal gearbeitet hatte, aber es war deutlich zu spüren, dass man mich – obwohl das Verhältnis zu den Kollegen optimalgewesen war – lieber nicht mehr sah. Kaum hatte ich einen Nachfolger, entschied sich ungefähr die Hälfte der Leute für seinen neuen Stil und sah in mir ein Problem. Das hatte ich mir nicht träumen lassen, und ich war zutiefst geschockt. Die 30 Jahre, die ich dort gearbeitet hatte, waren plötzlich verschwunden, hatten sich verflüchtigt – ich hatte nicht gelebt. Ein oder zwei Jahre später, das Problem beschäftigte mich gerade, träumte ich, dass ich begraben wurde und aus meinem Grab noch einmal nach oben sah …
Das ist auch die Schlussepisode des Romans …
Richtig. Ich sah nach oben und erkannte die Menschen nicht, die sich von meinem Grab entfernten. Das war die Situation, wie ich sie nach meiner Pensionierung erlebte. Darüber musste ich ein Buch schreiben: Ich musste begreifen, warum mein Leben einen solchen Verlauf genommen hat. Dazu musste ich mich an das erinnern, was ich verdrängt hatte. Denn man erlebt in den erzwungenen menschlichen Kontakten an seinem Arbeitsplatz Dinge, die irgendwie nicht stimmig sind, das heißt, jemand tut etwas außerhalb des Rahmens, den man ihm zugewiesen hat. Gerade diesen Dingen habe ich meine Aufmerksamkeit gewidmet, in der Hoffnung, dass ich am Ende, wenn ich die gesamten dreißig Jahre durchgearbeitet hatte, bei diesem Traum landen würde. Und ich bin exakt dort gelandet!
Was ist Het Bureau? Eine Berufsautobiographie – oder ein Büroroman?
Nein, es ist kein Büroroman, sondern es ist ein Roman über das Leben, wenn auch nur das Leben eines einzelnen Mannes. Doch meines Erachtens gilt das, was er erlebt hat, für jeden Berufstätigen.
Der Theologe Erik van Halsema – nebenbei Betreiber einer Website über Het Bureau – nannte Ihren Roman ein «Buch des Trostes», weil viele Menschen in einer vergleichbaren Situation stecken und Trost aus dem schöpfen, was sie dort zu lesen bekommen. Könnte das der Grund sein, weshalb der Roman auf so viele Leser einen so tiefen Eindruck gemacht hat?
Ja, das höre ich oft von Lesern. Menschen klammern sich natürlich an ihre Arbeit, und wenn dort etwas nicht so gut läuft oder wenn sie Probleme mit ihren Kollegen haben, drängen sie es weg, weil sie es nicht zulassen können. Sie meinen, dass es nur ihnen allein so geht, denn darüber wird nicht geredet. Das Buch zeigt ihnen, dass dem nicht so ist, und ich glaube, darin liegt der Trost. Das Gefühl von Einsamkeit, das man hat, das Gefühl,jeden Moment vor die Tür gesetzt werden zu können, das erhält hier seine Form, wird sichtbar. Und das bietet Trost.
Wie reagierten die ehemaligen Kollegen des Instituts auf den Roman?
Bei einigen der Kollegen überwog anfangs der Ärger. Die übrigen verhielten sich stiller, fanden es unziemlich, meinten, dass ich Intimitäten erzählt hätte. Das Merkwürdige ist, dass ich überhaupt keine Intimitäten erzählt habe. Der Roman enthält nichts, für das sich jemand schämen müsste. Es ist die Angst des Menschen, als
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