Das Büro
einer perfekt durchorganisierten und dabei, seien wir ehrlich, völlig überflüssigen Institution eine tiefere Bedeutungabzuringen. Denn Maarten ist einer wie sie: ein unbedeutender und unverstandener Büromensch, ein «Lohnsklave», der tagtäglich seine Pflicht tut in diesem, wie es bei Voskuil heißt, «Dschungel da draußen», einer, der gelegentlich von der Flucht aus seinem Joch träumt und sich schließlich mit den Verhältnissen zu arrangieren lernt – aber auch einer, der bei alledem das nagende Gefühl nicht los wird, dass es das allein doch nicht gewesen sein kann, was man sich vom Leben erhofft hat.
J. J. Voskuil (Foto Bert Nienhuis)
Der niederländische Theologe und Voskuil-Fan Erik van Halsema sieht in
Het Bureau
ein «Buch des Trostes». Vielleicht hat er sogar recht damit: Den dumpfen Grundzweifel am Sinn des eigenen Tuns und Strebens – bei Voskuil findet man ihn eindrucksvoll in Worte gefasst. Endlich steht man nicht mehr allein da, sondern hat in Maarten Koning einen treuen Verbündeten gefunden. Und das hat in der Tat etwas ungemein Tröstendes.
Einsicht ist die einzige Freiheit
Von Arjan Peters
In der niederländischen Literatur hat seit zehn Jahren kein Projekt so viel Aufsehen erregt wie
Het Bureau
– «Das Büro» –, ein Roman, der allerdings in mancherlei Hinsicht als typisch niederländisch gelten kann. Ein Mann geht dreißig Jahre lang zu seiner Arbeit und hat zu Hause ständig Streit; der Autor, J. J. (Han) Voskuil, zeichnet das, was ihm widerfährt, mit einer Nüchternheit auf, die bar jeglichen Vorstellungsvermögens zu sein scheint. Und ausgerechnet dieser Zyklus, bestehend aus sechs faustdicken Bänden und einem schmalen Schlussband, hat das Volk in Scharen in die Buchhandlungen getrieben. Allein deshalb schon verdient dieses Riesenprojekt nähere Betrachtung.
Was ist das Geheimnis des Erfolgs von
Het Bureau
? Denn es ist ein wenig unbefriedigend, dies ausschließlich durch den «Wiedererkennungseffekt» zu erklären. Zwar gehen viele Menschen tagtäglich einer Bürotätigkeit nach, und viele von ihnen werden, wenn man sie fragen würde, eingestehen müssen, dass sich ihnen nicht immer der Sinn ihrer Tätigkeit erschließt. Doch Voskuil hat etwas mit seiner Erfahrung
gemacht
, so dass Hunderttausende eine wahre Sucht nach den Erlebnissen Maarten Konings entwickelt haben, der zwischen 1957 und 1987 als «wissenschaftlicher Beamter» an einem volkskundlichen Institut beschäftigt war. Das P. J. Meertens Instituut in Amsterdam, das Modell für «Das Büro» gestanden hat, ist durch den Roman von J. J. Voskuil eine nationale Berühmtheit geworden.
«Das ist nicht mehr meine Zeit», konstatiert Maarten Koning im Jahre 1979, nachdem er eine Folge der populären Puppenserie
Die Muppet Show
gesehen hat. Es übersteigt seinen Verstand, dass Leute sich so kindisch verhalten können und andere Leute sich darüber auch noch amüsieren.
Maarten Koning und J. J. Voskuil sind nicht ein und derselbe. Der ungeahnte Erfolg von
Het Bureau
beruht schließlich zu einem nicht geringen Teil auf dem Muppet-Show-Prinzip. Dass Menschen sich so ungemein kindischverhalten können, ist eine unerschöpfliche Quelle des Vergnügens für die Leser des Romanzyklus.
Der Weg zum Büro
Das unglaubliche Genörgel, das durch die nüchterne Art, in der es im Roman registriert wird, schon wieder geistreich ist, macht alle Einzelbände gleichermaßen unterhaltsam. Dennoch lassen sich unterwegs diverse Verschiebungen beobachten, so dass jeder Band dieses Megaromans auf seine ganz besondere Art unwiderstehlich ist.
Die tragische Komponente des Romans verleiht der Banalität der Dialoge in
Het Bureau
Gewicht und sogar Tiefe. Es ist die Muppet Show mit einer Träne im Augenwinkel, ergreifender und zielgerichteter als eine Puppenserie, die nichts anderes bezweckt als zu unterhalten. Voskuil trägt mit seinem Zyklus einen Stein, wenn nicht ein ganzes Bauwerk zur Geschichte seines alten Fachgebietes bei.
Das Büro – also das Institut – erforscht das Verhalten von Gruppen;
Het Bureau
, der Roman, erforscht das Verhalten der Gruppe von Menschen, diein diesem Büro arbeitet, und zwar mit einer Hartnäckigkeit, in der sich der Autor und der Wissenschaftler wieder vereinen.
Denn Maarten Koning glaubt durchaus, einer festen Gruppe anzugehören. Doch der Leser erfährt, dass die Solidarität, die er sich auf die Fahne geschrieben hat, in der Praxis auf eine frostige Quengelei hinausläuft. Hinter seinem Rücken wird
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